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konnte er den selbstproduzierten Programmteil allerdings nie über einerund einstündige Magazinsendung pro Woche, welche mehrmals wie-derholt wurde, steigern. In den letzten Jahren seines Bestehens wurdeauf eigene Sendungen ganz verzichtet. Stattdessen wurde das Programmvon Tele Ostschweiz aufgeschaltet. Dies wurde von Seiten der Regie-rung als Konzessionsverletzung beanstandet, was schliesslich den Kon-zessionsentzug und die Einstellung des Senders im Jahr 2003 nach sichzog. Es gab also in Liechtenstein keinen Sender, der regelmässig und kri-tisch über das politische Geschehen in Liechtenstein berichtet hätte.Dieser Rolle wurde auch der Sender XML zur Zeit seines Bestehensnicht gerecht. Die finanziellen Bedingungen liessen ohnehin keinen an-spruchsvollen Sendebetrieb zu. Der Sender hatte es auch nie geschafft,sich beim Publikum zu etablieren. In der Nachwahlbefragung von 2001gaben 57 Prozent der befragten Stimmberechtigten an, die Sendungenvon XML nie zu sehen. Nur sieben Prozent sahen sich die Sendungenhäufig an.30 Die seltenen Diskussionssendungen im Landeskanal – demstaat lichen Informationskanal mit wechselnden Standbildern und Tele-textinformationen – im Vorfeld von Wahlen oder Abstimmungen sindkein Ersatz für ein Fernsehvollprogramm.Die wenigen Nutzungsdaten speziell zum Landeskanal stammenaus den Jahren 1993 und 1996. Bei der ersten Tonübertragung aus demLandtag 1993 herrschte noch eine gewisse Neugier, sodass 31 Prozentder erwachsenen Bevölkerung die Landtagsberichterstattung ganz oderteilweise verfolgten. Dieser Anteil ging bis 1996 auf 15 Prozent zurück.Auch der Informationsdienst das Landeskanals wurde weniger häufigbenutzt. Der Anteil der intensiven Nutzer – Nutzung bis mehrmals proWoche – ging im gleichen Zeitraum von 30 Prozent 1993 auf 18 Prozentzurück.31Vom Hörfunk ist noch weit weniger Medienwirkung zu erwartenals vom Fernsehen oder den Printmedien. Spätestens seit dem Aufkom-men des Fernsehens nach dem Zweiten Weltkrieg ist das Radio zuse-hends zu einem Begleitmedium geworden, welches insbesondere derUnterhaltung dient. Es gibt nur wenige Sendegefässe, welche vertiefte77Mediensystem, Politik und Gesellschaft30 Nachwahlumfrage 2001, nach Marxer 2004, 209.31 Telefonumfragen von DemoScope im Auftrag der Regierung, nach Marxer 2004,206.
Analysen erlauben, da meist Formate vorherrschen, die nur kurze Wort-beiträge zulassen. Sendungen mit mehr Tiefgang sprechen ausserdemnur einen kleinen Teil des Publikums an oder sind in Spartensendernplatziert, die nur von einer kleinen Minderheit gehört werden.Liechtenstein verfügt immerhin über einen eigenen Radiosender.Die Voraussetzungen für eine Inlandsberichterstattung sind also gege-ben. Der Radiosender wurde 1995 als Privatsender Radio L in Betriebgenommen. Liechtenstein hatte damit die Anfangsphase der Radiogrün-dungen in den 1920er Jahren, als allenthalben öffentlich-rechtliche Sen-der entstanden, ausgelassen. Der kurze Betrieb des sogenannten Landes-senders 1938 / 39 – entgegen dem Zeitgeist als Privatsender – läutete dasRadiozeitalter in Liechtenstein punktuell und kurzzeitig ein. Doch esdauerte bis 1995, ehe wirklich ein Sender mit Vollprogramm in Betriebgenommen wurde. Die Ressourcenschwäche sowie eine unrealistischeGeschäftspolitik führten jedoch zu anhaltenden Defiziten, sodass – wie-der entgegen dem Zeitgeist – der Sender 2004 in das öffentlich-rechtlicheRadio Liechtenstein umgewandelt wurde. Das heisst also, dass der Ra-diosender strukturell nochmals näher an die Politik herangerückt ist, allerdings erst nach der in dieser Studie analysierten Verfassungsabstim-mung von 2003.Bezüglich der Nutzung des Senders teilt Radio L(iechtenstein)nicht das Schicksal des Fernsehsenders XML. Radio Liechtenstein ver-fügt über eine hohe Bekanntheit und ist seit seinem Bestehen der meist-gehörte Sender im Land. Der Marktanteil beläuft sich auf rund 40 Pro-zent, gefolgt vom Schweizer Radio DRS I und dem österreichischenORF-Sender Radio Vorarlberg.32 Die beschränkt meinungsbildendeWirkung des Mediums Radio generell lässt indes wenig Effekte auf dieöffentliche Kommunikation erwarten, ebenso das weitgehende Neutra-litätsgebot des Senders, was eher auf die Verstärkung bereits vorhande-ner und mehrheitlicher Einstellungen schliessen lässt.In der Umfrage unmittelbar nach der Volksabstimmung zeigte sich2003 denn auch die überragende Bedeutung der Landeszeitungen in der medienvermittelten politischen Kommunikation in Liechtenstein.61,5 Pro zent gaben an, viel oder sehr viel aus den Landeszeitungen er-78Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation in Liechtenstein32 SRG Publicadata 2003 und Schätzung aus verschiedenen weiteren Umfragen, nachMarxer 2004, 201.
fahren zu haben. Beim Radio waren dies nur 26,6 Prozent, beim Fernse-hen 18 Prozent, bei ausländischen Zeitungen 10,7 Prozent. Relativ un-bedeutend war auch das Internet, dessen Informationsangebote nur von8,2 Prozent der Befragten viel oder sehr viel genutzt wurden (Tab. 3).Das gesamte Mediensystem Liechtensteins ist geprägt von einer re-lativen Nähe zum politischen System – sei dies in Form der dominieren-den (Partei-)Zeitungen, sei dies in Form des seit 2004 öffentlich-recht -lichen Radiosenders, welcher aber auch als Privatradio in der Zeit von1995 bis Ende 2003 nicht durch besonders kritische Haltung zum politi-schen System auffiel.33 Mit dieser engen Koppelung des Mediensystemsan das politische System ist Liechtenstein heute ein Sonderfall, nachdemder Prozess der Entkoppelung in den angelsächsischen Ländern bereitsim 19. Jahrhundert vollzogen worden war (Rothmann 1992, 38 f .), inden meisten europäischen Staaten im Verlauf des 20. Jahrhunderts. DiePrintmedien mit den beiden dominierenden Landeszeitungen sind so-wohl strukturell wie auch finanziell an Politik und Parteien gebunden.Der Einfluss der Parteien auf die ihnen jeweils nahestehende Zeitungwird durch statutarische Bestimmungen und personelle Verflechtungengesichert. Eine finanzielle Bindung ist durch eine staatliche Medienför-derung in ansehnlicher Höhe gegeben, wobei die Funktion der beidenZeitungen als amtliche Publikationsorgane noch zusätzlich regelmässi-gen Zufluss staatlicher Gelder in Form eines hohen Inseratevolumensgarantiert.79Mediensystem, Politik und Gesellschaft33 Ausführlich über die Medien in Liechtenstein bei Marxer 2004.Tabelle 3: Informationsbezug aus verschiedenen Medien zur Meinungsbildungin der Verfassungsabstimmung (in Prozent; N = 800)nicht benutzt wenig einiges viel sehr vielLandeszeitungen 5.3 10.6 22.6 34.4 27.1Radio 21.0 26.9 25.5 18.6 8.0Fernsehen 32.0 31.1 18.9 11.9 6.1Ausländische Zeitungen 43.6 31.0 14.6 7.6 3.1Internet 70.0 16.3 5.6 5.9 2.3Quelle: Abstimmungsumfrage
Durch die Dominanz der Tageszeitungen im Mediensystem ge-winnt die Parteibindung der Medien noch an Bedeutung und Einflussauf die politische Kommunikation. Es ist evident, dass die Parteienori-entierung der Tageszeitungen auf deren Berichterstattung abfärbt. Diesbetrifft insbesondere die innenpolitische Berichterstattung, kann aberauch Ausläufer haben in den Berichten über kulturelle, wirtschaftliche,sportliche oder andere Ereignisse. Die innenpolitische Berichterstattungfolgt dem Muster, dass in Wort und Bild über die Vertreter der eigenenPartei sowie deren politische Aktivitäten, Vorstösse und Erfolge unkri-tisch und affirmativ berichtet wird, während die Tätigkeit des politi-schen Gegners kritisch verfolgt und kommentiert wird.Diesem System der sogenannten Ko-Opposition sind allerdings in-sofern Grenzen gesetzt, als sich beide Parteien – und damit auch beideParteizeitungen – in der politischen Mitte mit weitgehend einheitlicherIdeologie verorten. Die beiden dominierenden politischen Kräfte sindzudem seit 1938 fast ununterbrochen in einer gemeinsamen Regierungs-koalition miteinander verbunden. Die Zeitungen tendieren daher grund-sätzlich zu affirmativer Berichterstattung mit Verlautbarungstendenzund unterwerfen sich weitgehend den politischen Zwängen und Begehr-lichkeiten. Das gelernte Handwerk kann von den Medienschaffendenunter diesen Umständen nur unzureichend angewandt werden, was einestarke Abwanderungstendenz aus dem Beruf zur Folge hat.34 Es muss al-lerdings erwähnt werden, dass die Ansprüche der Parteien nicht der ein-zige Faktor sind, der die kritische Berichterstattung behindert. DieKleinräumigkeit und die Empfindlichkeit des Publikums führen eben-falls zu Zwängen und Erwartungen, die einer objektiven Berichterstat-tung abträglich sind.Die strukturelle Einkerkerung der Medien wird auch nicht durchfunktionierende Kontrollorgane aufgeweicht. Eine Selbstkontrolle derMedien fehlt weitgehend, da sich der 1969 gegründete «InternationaleLiechtensteiner Presseclub» auf eine positive Darstellung Liechtensteinsim Ausland und allenfalls die Disziplinierung der Medienschaffenden imeigenen Land konzentriert, während der 1999 mit journalistischem An-80Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation in Liechtenstein34 Zur Lage der Medienschaffenden ausführlich bei Marxer 2004, 246 ff. Bezeichnendist, dass die in einer schriftlichen Umfrage befragten Medienschaffenden zu 100 Pro-zent die «neutrale Berichterstattung» als Ziel in ihrer Berufsauffassung angaben(Schweiz: 92 Prozent). Vgl. Marxer 2004, 281.
spruch gestartete Verein «Komment» nach Anfangsaktivitäten seit 2001kaum mehr ein Lebenszeichen von sich gibt (Marxer 2004, 234–245).Die staatliche Medienkommission hat durch ihre Vergabepolitik ausser-dem demonstriert, dass sie das bestehende Parteimediensystem als un-terstützenswürdig erachtet und hat dementsprechend bisher keine Auf-lagen mit inhaltlichen Qualitätsansprüchen gemacht. Das kann aller-dings angesichts des von VU und FBP im Landtag formulierten gesetz-lichen Auftrages auch nicht wirklich erstaunen.Andererseits können die politischen Parteien ihre Zeitungen auchnicht vollständig steuern. Eine Reihe von Faktoren ist dafür verantwort-lich, dass die Medienmacht der Parteien trotz der Dominanz im Me-diensektor begrenzt bleibt (Marcinkowski / Marxer 2006, 122 ff.; Mar-xer 2004, 220 ff.). Erstens lesen viele Leserinnen und Leser – und damitauch Wählerinnen und Wähler – sowohl das Vaterland wie auch dasVolksblatt. Die Meinungsbildung kann also prinzipiell unter Abwägungverschiedener konkurrierender Darstellungen erfolgen. Zweitens hat seitden 1970er Jahren der Leserbrief zunehmend Einzug in die Zeitungengehalten. Die Zeitungen sind bereit, abweichende Meinungen in Formvon Leserbriefen und Forumsbeiträgen aufzunehmen. Drittens erlaubtdie geografische Kleinräumigkeit und soziale Überschaubarkeit inLiechtenstein, sich über viele Ereignisse auch unabhängig von den Zei-tungen zu informieren, sodass die Bedeutung medialer Berichterstattungrelativiert wird. Die Medienschaffenden sind dadurch gleichzeitig ange-halten, nicht zu stark von der Alltagserfahrung der Bürger abzuweichen,81Mediensystem, Politik und GesellschaftTabelle 4: Reichweite von Liechtensteiner Vaterland und Liechtensteiner Volksblatt («Lektüre regelmässig, also fast immer»)Zeitung Leser ProzentVaterland Leserschaft insgesamt 662 82.8Volksblatt Leserschaft insgesamt 581 72.6– Beide Zeitungen 516 64.5– Nur Vaterland 146 18.3– Nur Volksblatt 65 8.1– Keine 73 9.1Total 800 100.0Quelle: Abstimmungsumfrage 2003
da sie sonst leicht entlarvt und eventuell in Form eines Leserbriefesblossgestellt werden. Viertens ist der Leserschaft der politische Hinter-grund der Zeitungen bekannt, sodass die Zeitungen ohnehin ein publi-zistisches Glaubwürdigkeitsproblem haben. Und schliesslich erlaubtauch der Konsum von ausländischen Medien – Zeitungen und insbeson-dere auch Fernsehen – die Entwicklung von Wahrnehmungsmusternausserhalb der Parteienkontrolle.Politisches SystemNach Art. 2 LV von 1921 ist das Fürstentum Liechtenstein eine konsti-tutionelle Erbmonarchie auf parlamentarischer und demokratischerGrundlage. Die Staatsgewalt ist im Fürsten und im Volk verankert. Dasmonarchische Prinzip ist damit überwunden, ohne gleichzeitig dem de-mokratischen Prinzip zum Durchbruch zu verhelfen. In der liechten-steinischen Verfassungslehre wird diese Form einer Mischverfassung alsdualistische oder elliptische Verfassung bezeichnet. Die monarchischenKompetenzen sind in Liechtenstein im Vergleich zu anderen monar-chisch geprägten Staaten relativ weitgehend. Im Unterschied etwa zuGrossbritannien, den skandinavischen Ländern, den Benelux-Staatenund anderen europäischen Staaten mit Königen, Königinnen, Grossher-zogen oder Fürsten beschränkt sich die Rolle des Fürsten von Liechten-stein nicht auf mehr oder weniger symbolische und integrative Funktio-nen. Dies wurde zwar von einigen Verfassungsexperten im Sinne einerzeitgemässen Interpretation der Monarchie auch für Liechtenstein ein-gefordert, nachdem auch in anderen europäischen Staaten teilweise einegrosse Kluft zwischen dem normativ hohen Status des Monarchen unddessen tatsächlichem politischen Einfluss besteht. Während der Regie-rungszeit von Fürst Franz Josef II. (1906–1989) deutete auch einiges da-rauf hin, dass die Monarchie in Liechtenstein dem Beispiel anderer Staa-ten folgt. Der Nachfolger und amtierende Fürst Hans-Adam II. (geb.1945) liess jedoch keinen Zweifel aufkommen, dass er die in der Verfas-sung von 1921 normierten Kompetenzen nicht nur einfordert, sondernauch weitestgehend zugunsten des Monarchen interpretiert. ImKompetenz gerangel über die Festlegung des Abstimmungstermins fürdie EWR-Abstimmung im Herbst 1992, bei der Auflösung des Landtagsim Herbst 1993 und bei der Publikation des Hausgesetzes ebenfalls im82Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation in Liechtenstein
Herbst 1993 ohne Mitwirkung des Landtages lieferte er mehrere Bei-spiele einer neu verstandenen Fürstenrolle ab (Waschkuhn 1994, 110–115; Quaderer 1993).Bereits vor der Verfassungsrevision von 2003 billigte die Verfas-sung von 1921 dem Fürsten eine Fülle von Rechten zu, welche mit derRevision von 2003 fortgeschrieben wurden. Hier die bedeutendsten: Beider Bestellung der Regierung hat der Fürst das Ernennungsrecht. Es istzwar noch nicht vorgekommen, dass eine vom Landtag vorgeschlageneRegierung nicht ernannt worden wäre, der Fürst könnte jedoch eine Re-gierung ablehnen, ohne dies begründen zu müssen. In der Gesetzgebungverfügt der Fürst über ein absolutes Vetorecht. Wenn er einem Gesetzdie Sanktion verweigert, kann es nicht in Kraft treten. Auch dies mussnicht begründet werden und gilt selbst dann, wenn eine Vorlage in einerVolksabstimmung angenommen wurde. Weitere Rechte des Fürsten sinddas Niederschlagungsrecht bei gerichtlichen Verfahren und Untersu-chungen, das Notverordnungsrecht sowie das Recht, den Landtag beiVorliegen von erheblichen Gründen aufzulösen.Die Verfassungsrevision von 2003 führte zu einer weiteren Stär-kung der Monarchie. So wurde neu eingeführt, dass der Landesfürst jederzeit die Regierung entlassen kann. Das Recht ist an keinerlei Bedin-gungen geknüpft, eine Begründung ist nicht notwendig. Ferner wurdedie Rolle des Landesfürsten bei der Richterbestellung gestärkt. Die No-mination neuer Richter erfolgt nun in einem Gremium, in welchem derFürst die Hälfte der Mitglieder bestellen kann und über den Stichent-scheid und das Vetorecht verfügt. Wird ein Vorschlag dieses Gremiumsvom Landtag, dem das Bestätigungsrecht zukommt, abgelehnt, kann derLandtag eine Alternative präsentieren. Über die Kandidatenvorschlägeund allenfalls noch weitere Vorschläge, die aus dem Volk kommen, mussdann in einer Volksabstimmung entschieden werden. Vor der Revisionvon 2003 hatte der Landtag das Vorschlagsrecht, der Fürst das Ernen-nungsrecht.Weitere Rechte wie das Sanktionsrecht und das Notverordnungs-recht wurden modifiziert, ohne die Kompetenzen des Monarchen ein-zuschränken. Indirekt gestärkt wurde die Stellung des Monarchen auchdadurch, dass dem Staatsgerichthof die Kompetenz abgesprochenwurde, im Konfliktfall zwischen den Staatsorganen über deren Rechteund Zuständigkeiten zu entscheiden. Dies erlaubt es dem Fürsten, im Konfliktfall die Initiative an sich zu reissen, da er die Regierung und83Mediensystem, Politik und Gesellschaft
den Landtag mit dem Entlassungs- und Auflösungsrecht disziplinie -ren kann um, falls das notwendig wird, mit Notverordnung selbst zu re-gieren.Die demokratische Seite der dualistischen Verfassung drückt sichim parlamentarischen Repräsentativsystem und direktdemokratischenRechten aus. Der 25-köpfige Landtag (Parlament) wird vom Volk inzwei Wahlkreisen – Oberland und Unterland – gewählt. Es handelt sichum ein Ein-Kammer-Parlament. Zu den Befugnissen des Landtages ge-hören die für Parlamente üblichen Hauptaufgaben in der Gesetzgebungund der Genehmigung von staatlichen Ausgaben. Bezüglich der Regie-rungsbildung kommt dem Landtag das Vorschlagsrecht zu, während derLandesfürst wie erwähnt die Regierung ernennt.Die direktdemokratischen Volksrechte sind in Liechtenstein gutausgebaut. Im Gegensatz zur Schweiz, dem Vorzeigefall der direktenDemokratie, basieren die direkten Volksrechte in Liechtenstein aller-dings nicht auf der Idee der Volkssouveränität. Sie sind vielmehr ein -gebettet in das monarchisch-parlamentarische System und können alsErgänzung zu dieser prägenden Systemkomponente gesehen werden.(Marxer / Pállinger 2007) Dies zeigt sich unter anderem im relativ zu-rückhaltenden Gebrauch der direktdemokratischen Rechte – im langjäh-rigen Durchschnitt etwa eine landesweite Volksabstimmung pro Jahr.Auf die Instrumente der direkten Demokratie in Liechtenstein und de-ren Einsatz wird im nächsten Kapitel genauer eingegangen.Wie das Mediensystem weist auch das Parteiensystem Liechten-steins eine geringe Vielfalt auf (vgl. Marxer 2006a). Im Landtag habenderzeit, wie auch zur Zeit der Verfassungsabstimmung 2003, alle dreiexistierenden Parteien Einsitz. Die Stimmenanteile bei den Landtags-wahlen und die Sitze im Landtag können der nachstehenden Tabelle ent-nommen werden. Die Mehrheitsverhältnisse sind zwischen der Fort-schrittlichen Bürgerpartei (FBP) und der Vaterländischen Union (VU)traditionellerweise relativ knapp. Besonders seit den 1970er Jahrenwechselte die Mehrheit öfters. Dabei waren die FBP und die VU bis1993 jeweils die einzigen Landtagsparteien, ehe die FL als dritte Parteiden Einzug in den Landtag schaffte (Tab. 5).Nachdem sich die beiden grossen Parteien 1938 auf die Einführungdes Proporzwahlrechts und eine gemeinsame Regierungskoalition geei-nigt hatten, gab es bis 1993 überhaupt keine Opposition im Landtag. DieRegierungskoalition hielt mit wechselnder Mehrheit weiter bis ins Jahr84Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation in Liechtenstein
2001, wobei die nach Mandaten stärkere der beiden Parteien jeweils denRegierungschef stellte und die Mehrheit der Regierungssitze hielt. Nachlange dauernder Vorherrschaft der FBP konnte die VU 1970 die Wahlengewinnen, verlor die Mehrheit in Landtag und Regierung jedoch bereitswieder 1974. Vier Jahre später begann eine langjährige Dominanz derVU unter Regierungschef Hans Brunhart, die bis 1993 dauerte. Der Ver-lust der Mehrheit bei den Wahlen im Frühjahr 1993 brachte nicht nur einen Erfolg für die FBP, sondern auch für die FL, die erstmals in denLandtag kam. Dies war auch das erste Mal in der Geschichte des Land-tags seit der Gründung der Parteien, dass keine Partei über die absoluteMehrheit verfügte. Die Regierungszeit des FBP-Politikers Markus Büchel dauerte nur wenige Monate. Der Regierungschef war bei der eigenen Partei in Ungnade gefallen, weshalb der Landtag beim Landes-fürsten dessen Absetzung beantragte. Der Fürst kam diesem Antragnach, löste aber gegen den Protest der FBP gleichzeitig den Landtag aufund ordnete damit Neuwahlen an. Diese gewann wieder die VU mit demRegierungschef-Kandidaten Mario Frick. Nachdem die FBP die Wahlenvier Jahre später erneut verlor, beschloss sie den Gang in die Opposi tion.Im Frühjahr 2001 verlor die VU deutlich an Wählerstimmen und dieFBP gewann die absolute Mehrheit der Sitze im Landtag. Zum Regie-rungschef wurde der FBP-Spitzenkandidat Otmar Hasler gewählt. Dies-mal schlug die VU ein Koalitionsangebot aus und begab sich in die Op-position. Nach den Wahlen 2005, die wie die Frühjahrswahlen von 1993keine Partei mit einer absoluten Mehrheit ausstatteten und insbesondere85Mediensystem, Politik und GesellschaftTabelle 5: Stimmenanteile und Mandate der ParteienFBP VU FL% Mandate % Mandate % Mandate1989–1993 42.1 12 47.2 13 7.6 01993 44.2 12 45.4 11 10.4 21993–1997 41.3 11 50.1 13 8.5 11997–2001 39.2 10 49.2 13 11.6 22001–2005 49.9 13 41.3 11 8.8 12005–2009 48.7 12 38.2 10 13.0 32009– 43.5 11 47.6 13 8.9 1Legende: fett = Parteien mit Regierungsbeteiligung
einen Erfolg für die FL mit drei Mandaten bedeuteten, einigten sich diebeiden Grossparteien wieder auf eine Regierungskoalition unter derFührung von Regierungschef Otmar Hasler, die nach den Landtagswah-len 2009 von einer Koalition unter der Führung der VU und Regie-rungschef Klaus Tschütscher abgelöst wurde.Die Tatsache, dass die Mehrheitsverhältnisse zwischen der FBPund der VU jeweils relativ knapp waren und dementsprechend bei denLandtagswahlen immer mit einem Wechsel an der Spitze der Regierunggerechnet werden musste, ist nicht unbedeutend als Hintergrund zurVerfassungsabstimmung von 2003. Zu den politischen Erfahrungen derLiechtensteiner Parteien gehört, dass die Gunst oder Ungunst des Fürs-ten bei solch knappen Wahlentscheidungen leicht den Ausschlag überErfolg oder Misserfolg geben kann. So war die Wahlniederlage der VUbei den Frühjahrswahlen 1993 nicht zuletzt auch eine Folge der soge-nannten Staatskrise vom Oktober 1992, als die politische Elite aus Re-gierung und Landtag in eine heftige Auseinandersetzung mit dem Fürs-ten über die Festlegung des Termins für die Volksabstimmung über denEuropäischen Wirtschaftsraum geriet. Während der amtierende VU-Re-gierungschef Hans Brunhart nochmals zur Wahl antrat, präsentierte dieFBP mit Markus Büchel einen neuen Kandidaten. Dieser konnte denBonus des Unverbrauchten ausspielen, taktierte auch in der Frage desBeitritts zum Europäischen Wirtschaftsraum – er wollte mit Brüssel«beinhart» verhandeln – und wurde auf Plakaten mit der Parole darge-stellt, dass er in Harmonie mit dem Fürsten sei. Ausserdem machte dasGerücht die Runde, dass der Fürst möglicherweise den amtierenden Re-gierungschef im Falle eines erneuten VU-Wahlsieges nicht mehr zumRegierungschef ernennen würde.Der Fürst übte also direkt oder indirekt schon vor der Verfas-sungsabstimmung von 2003 Einfluss auf die Politik aus. Dies unterstricher nachhaltig, als er nach der Entlassung von Regierungschef MarkusBüchel im Sommer 1993 auch den Landtag auflöste, obwohl sich dieserselbst als handlungsfähig erachtete und daher keine verfassungsrechtlicherforderliche «erhebliche Gründe» für einen solchen Akt erkennenwollte. Die Neuwahlen – und dies war eine deutliche Lektion an die Par -teien – endeten mit einer Niederlage der FBP. Zweimal hintereinander hatte diejenige Partei, die als führende Regierungspartei exponiert imKonflikt mit dem Fürsten gestanden hatte, die Wahlen verloren.86Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation in Liechtenstein
GesellschaftLiechtenstein hat in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen ra-santen Wandel von einer Agrargesellschaft zu einer Industrie- undDienstleistungsgesellschaft vollzogen. Der anhaltende und stürmischewirtschaftliche Aufschwung setzte insbesondere nach dem ZweitenWeltkrieg ein, nachdem bereits in den 1920er Jahren wichtige Rahmen-bedingungen hierfür gesetzt worden waren. Dazu zählt die wirtschafts-und aussenpolitische Orientierung zur Schweiz mit dem Zollvertrag1923, die Einführung des Schweizer Frankens als Zahlungsmittel 1924,ein neues Steuerrecht 1923 und das für den Finanzplatz grundlegendePersonen- und Gesellschaftsrecht 1926 (Marxer 2003b; Merki 2007).Der wirtschaftliche Aufschwung lässt sich anhand zahlreicherKennzahlen aufzeigen, seien dies die Staatseinnahmen, das Brutto -inlandprodukt, die Industrieexporte, die Bilanzsumme der Banken oderviele weitere Indikatoren. Stellvertretend für andere Indikatoren kannhier auf die Zahl der in Liechtenstein Beschäftigten und der Zupendleraus dem Ausland verwiesen werden. Noch Ende des 19. Jahrhundertsnahm die Landesbevölkerung aufgrund anhaltender Auswanderung ab.In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wuchs die Bevölkerungtrotz damals hoher Geburtenrate nur langsam, die Zahl der Beschäftig-ten sank in der Krisenzeit der 1930er Jahre sogar. Seit den 1940er Jahrennahm nicht nur die Wohnbevölkerung, sondern auch die Zahl der Be-schäftigten markant zu. Betrug die Beschäftigtenzahl 1930 noch 4586,lag sie 2005 auf dem Stand von 30 170. Diese Beschäftigungszunahmekonnte nur durch Zuwanderung aus dem Ausland, kombiniert mit einerZunahme von beschäftigten Grenzgängern aus dem benachbarten Aus-land, gedeckt werden. Der Anteil der Ausländer an der Wohnbevölke-rung beträgt aktuell rund ein Drittel, der Anteil der Ausländer an denBeschäftigten in Liechtenstein rund zwei Drittel, der Anteil der Grenz-gänger an den Beschäftigten fast 50 Prozent (Tab. 6).Mit dem wirtschaftlichen Wandel gingen eine aussergewöhnlicheWohlstandsentwicklung und ein fundamentaler gesellschaftlicher Wandel einher. Auf der Makroebene generierten florierende und vielsei-tige Gewerbe- und Industriebetriebe sowie die Unternehmen des Fi-nanzdienstleistungssektors eine Vielzahl an Beschäftigungsprofilen, was neben der massiven Zuwanderung auch eine anhaltende Bildungsmobi-lisierung in der liechtensteinischen Bevölkerung auslöste. Für die einhei-87Mediensystem, Politik und Gesellschaft
mische Bevölkerung brachte diese Entwicklung vor allem Chancen füreinen sozialen Aufstieg, eher selten die Gefahr eines Abstiegs.Gleichzeitig wurde die Gesellschaft heterogener, nicht nur wegender Zuwanderung von Ausländern, sondern auch wegen der sozialenBinnendifferenzierung, der zunehmenden Mobilität, der Entwicklunggrösserer Interessenvielfalt und der Akzeptanz unterschiedlicher Le-bensstile und Lebensentwürfe. Damit wurde der traditionelle Wertekon-sens, welcher in der konservativen Agrargesellschaft wurzelte und imhohen kulturellen Stellenwert der katholischen Kirche einen allgemeinunterstützten Ausdruck gefunden hatte, tendenziell aufgeweicht. DieEntwicklung verlief zwar in vielerlei Hinsicht zäh und hinkte demTempo der wirtschaftlichen Modernisierung weit hinterher, war aberinsgesamt nicht aufzuhalten. Retardierende Tendenzen konnten dabei –wie etwa im Falle der verspäteten Einführung des Frauenstimmrechts imJahr 1984 – durchaus lange Bestand haben.88Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation in LiechtensteinTabelle 6: Beschäftigte in Liechtenstein 1880–2005Wohn Total in Beschäftigte davon Zupendler ausbevöl- FL Be- zu Wohn- Ausländer dem Auslandkerung schäftigte bevölkerung Zahl % Zahl %1880 80951891 78641901 75311911 80201921 88411930 9948 4586 46% 150* 31940 11094 4161 38% 676 16 10* 01950 13757 6338 46% 2007 32 700* 111960 16628 9096 55% 3893 43 1700* 191970 21350 11569 54% 6240 54 2601* 221980 25215 14840 59% 8212 55 3279* 221990 29032 19905 69% 11933 60 6885* 352000 33359 26797 80% 16960 63 11192* 422005 35274 30170 86% 20035 66 14503* 48Quelle: Stat. Jahrbuch 2006, 92. Legende: * = Schätzung.
Die zunehmende internationale Verflechtung trug ebenfalls dazubei, dass man die liechtensteinische Bevölkerung nicht einseitig als tradi-tionsverwurzelte Hinterwäldler charakterisieren kann, sondern als weit-gehend aufgeschlossen und modern, wenngleich teilweise widersprüch-lich.35 Dabei ist bemerkenswert, dass das aussenpolitische EngagementLiechtensteins seit den 1970er Jahren deutliche Spuren einer eigenstän-digen und selbstbewussten Haltung aufweist. Dem Beitritt zum Europa-rat 1978 folgte der Beitritt zur Uno im Jahr 1990, also unabhängig vonund lange vor der Schweiz, sowie der Beitritt zum Europäischen Wirt-schaftsraum, welcher in zwei Volksabstimmungen 1992 und 1995 mehr-heitliche Zustimmung im Volk fand, obwohl die Schweiz einen EWR-Beitritt abgelehnt hatte und stattdessen den bilateralen Weg einschlug.Sicher hat auch die stärkere soziale Durchmischung durch die Zuwanderung, zu einem beträchtlichen Teil durch Heirat von Auslände-rinnen und Ausländern, das enge Denken in traditionellen Mustern auf-geweicht. Seit Jahrzehnten findet ein Grossteil der Eheschliessungenzwischen Liechtensteinern und Ausländerinnen oder Liechtensteinerin-nen und Ausländern statt. Wegen der günstigen Beschäftigungslage undgenerell vorteilhafter materieller Perspektive nimmt der Grossteil dieserEhepaare Wohnsitz in Liechtenstein. Zwischen 1999 und 2005 beispiels-weise heirateten 53 Prozent der liechtensteinischen Frauen einen Auslän-der, während 55 Prozent der heiratenden Liechtensteiner eine Auslände-rin zur Frau nahmen.36 Hinzu kommt, dass zwischen 1970 und 2005 6030Einbürgerungen vorgenommen wurden, allerdings nur 613 durch Ab-stimmung und Verleihung und 810 durch die erleichterte Einbürgerungvon langjährig wohnhaften Ausländern.37 Der Grossteil der Einbürge-rungen erfolgte durch Heirat oder aufgrund von Gesetzesänderungen. Sowurde ab 1974 (LGBl. 1974 Nr. 50) den vormals wegen Heirat mit einemAusländer ausgebürgerten liechtensteinischen Frauen die Staatsbürger-schaft wieder zugestanden. Seit 1986 (LGBl. 1986 Nr. 104) ist es denliechtensteinischen Frauen erlaubt, ihre Staatsbürgerschaft an die Kinderweiterzugeben, was vorher nur den Männern vorbehalten war.89Mediensystem, Politik und Gesellschaft35 Vgl. dazu insbesondere die Studie über die nationale Identität Liechtensteins vonMarxer 2006b. Der Zuwanderer Manfred Schlapp (1971) traf dagegen Anfang der1970er Jahre nach eigenem Bekunden noch auf eine rückständige Bevölkerung.36 Zivilstandsstatistik 2005, 29.37 Stat. Jahrbuch 2006, 75.
3.3 Direktdemokratische EinrichtungenLiechtenstein weist ein im internationalen Vergleich stark ausgebautesInstrumentarium der direkten Demokratie auf. Unter direkter Demo-kratie werden dabei Beteiligungsformen des Volkes beziehungsweise derStimmberechtigten verstanden, welche grundsätzlich zu einer Stärkungder Bürgerschaft beitragen und sich auf Sachentscheide – im Unterschiedzu Wahlen oder zu Personalentscheiden – beziehen.38Das Initiative & Referendum Institute Europe (IRI Europe) hat 32 europäische Staaten hinsichtlich der direkten Demokratie untersuchtund in einem «Country Index» der direkten Demokratie in sechs Grup-pen rangiert: Die Avantgarde (I), die Demokraten (II), die Vorsichtigen(III), die Ängstlichen (IV), die Hoffnungslosen (V) und die Schlusslich-ter (VI). Diese sechs Gruppen («sets») wurden schliesslich noch in eineA- und eine B-Klasse unterteilt. Liechtenstein wurde im Ranking von2002 gemeinsam mit der Schweiz in der Topklasse der Kategorie 1B ge-führt und gehörte damit als einer von zwei Staaten der Welt zur Gruppeder Avantgarde. Zwei Jahre später erfolgte allerdings eine Rückstufungwegen der Verfassungsabstimmung von 2003. Im Ranking von 2004 er-folgte die Einteilung der Länder in sieben Kategorien, wobei einzig dieSchweiz der Kategorie 1 (Radikaldemokraten) zugeordnet wurde, wäh-rend Liechtenstein der Kategorie 2 (Progressive) zugeteilt wurde, ge-meinsam mit Dänemark, Irland, Slowenien, Slowakei, Niederlande, Ita-lien und Litauen, in einer weiteren Zusammenstellung aus dem gleichenJahr rutschte Liechtenstein weiter in die Kategorie 3 (Vorsichtige) ab,nunmehr auf der gleichen Ebene mit Ländern wie u. a. Luxemburg,Frankreich oder Österreich, in denen die direkte Demokratie keine we-sentliche Rolle spielt (IRI 2002; Kaufmann / Waters 2004; IRI 2004).Die Verfassungsabstimmung hatte in Erinnerung gerufen, dass derLandesfürst mit dem Vetorecht in der Gesetzgebung ausgestattet ist, wases ihm auch ermöglicht, das basisdemokratische Potenzial der Volksini-tiative zu schmälern. Das Vetorecht des Fürsten stellt tatsächlich einegravierende Einschränkung der Entscheidungsgewalt des Volkes dar, wi-90Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation in Liechtenstein38 In Anlehnung an IRI 2007, 233. Lettland, das nicht in die Wertung genommenwurde, würde ebenfalls in Kategorie 2 gehören. Detaillierte Ausführungen zu Defi-nitionen und einem drohenden Begriffswirrwar bei Marxer (i. Vorb.).
derspiegelt aber grundsätzlich die dualistische Konstruktion der Verfas-sung. Die monarchisch-demokratische Mischverfassung verlangt einenKonsens zwischen Fürst und Volk beziehungsweise dessen Repräsen-tanten im Landtag. Ein Gesetz benötigt die doppelte Zustimmung vonLandtag (oder alternativ dem Volk in einer Volksabstimmung) und demLandesfürsten (durch dessen Sanktion des Gesetzes). Demzufolge trittder Fürst mit dem Sanktionsrecht erst am Ende des Verfahrens in Ak-tion, falls der Landtag oder das Volk eine Vorlage angenommen haben.Lehnt das Volk dagegen eine Vorlage ab, sei dies aufgrund eines Refe-rendums oder einer Abstimmung auf Beschluss des Landtages (Behör-denreferendum), ist sie gescheitert und die Sanktion des Landesfürstenerübrigt sich.Nachdem das Sanktionsrecht des Fürsten bereits als erheblicherMangel in der liechtensteinischen Demokratie und als grundsätzlicheSchwächung der direktdemokratischen Volksrechte angesehen werdenmuss, hat die Verfassungsabstimmung noch zwei weitere fragwürdigeAspekte aufgeworfen. Erstens gab es eine Kontroverse, ob der Fürst –obwohl nicht «Volk» – legitimiert sei, selbst eine Volksinitiative zu er-greifen. Und zweitens ist die Zulässigkeit einer aktiven Kampagnenfüh-rung durch ein Staatsoberhaupt im Rahmen von Volksabstimmungenumstritten. Dies betraf nicht nur das Engagement des Fürsten für die eigene Initiative, sondern auch die Negativkampagne gegen die gegneri-sche Initiative.Die Instrumente der direkten DemokratieDie direkte Demokratie in Liechtenstein weist mehr Parallelen mit man-chen kantonalen Regelungen in der Schweiz als mit den Regelungen desSchweizer Bundesstaats auf. Die wichtigsten Instrumente auf Bundes-ebene sind in der Schweiz das obligatorische Referendum bei Verfas-sungsänderungen und bedeutenden Staatsverträgen, das fakultative Re-ferendum zu Gesetzesbeschlüssen des Bundes und Staatsverträgen sowiedie Volksinitiative auf Verfassungsstufe. In Liechtenstein sind die direkt-demokratischen Instrumente insgesamt breiter ausgefächert, wobei al-lerdings bis 2003 ein Abstimmungsobligatorium nur in einem speziellenFall, nämlich bei massiven Steuererhöhungen, gesetzlich normiert war,allerdings ohne bisher eine Volksabstimmung ausgelöst zu haben.91Direktdemokratische Einrichtungen
Bei der Darstellung der direktdemokratischen Instrumente inLiechtenstein beziehen wir uns zunächst auf die bis 2003 geltenden di-rektdemokratischen Volksrechte. Volksinitiativen – in Form von Sam-melbegehren oder auch Initiativen in Form von Gemeindebegehren –sind sowohl auf Verfassungs- wie auch Gesetzesstufe möglich, ferner alsformulierte oder als einfache (nicht formulierte) Initiative. Das fakulta-tive Referendum kann nicht nur gegen Gesetzesbeschlüsse, sondernauch gegen Finanzbeschlüsse ab einer bestimmten Ausgabenhöhe sowieseit 1992 auch gegen Staatsverträge ergriffen werden. Darüber hinauskann auch der Landtag von sich aus eine Vorlage dem Volk zur Abstim-mung vorlegen – das sogenannte Landtagsbegehren, in der Schweiz alsBehördenreferendum bezeichnet –, oder der Landtag kann eine Konsul-tativabstimmung über Grundsätze eines zu erlassenden Gesetzes durch-führen. Schliesslich können die Stimmberechtigten mit Unterschriften-sammlung auch eine Abstimmung über die Einberufung oder die Auflö-sung des Landtages erzwingen (Tab. 7).Die Volksabstimmung von 2003 über die Revision der Verfassungbrachte mit der Annahme der Vorlage des Fürstenhauses – neben weite-ren Neuerungen – eine Reihe von neuen direkten Volksrechten. Sie be-ziehen sich auf die Richterbestellung, das Misstrauensvotum gegen denFürsten und die Abschaffung der Monarchie. Alle diese Instrumente tra-gen einen stark personenbezogenen Aspekt in sich. Da unter direkterDemokratie nach der weiter oben erwähnten Definition von IRI EuropeSachentscheide verstanden werden, die darüber hinaus die Bürgerschaftstärken müssen, somit also von unten nach oben (bottom-up) wirkensollten, ist es fraglich, ob diese neuen Instrumente tatsächlich den Krite-rien direktdemokratischer Institutionen genügen. Im Einzelnen sehendie Verfahren wie im Folgenden beschrieben aus.Die Bestellung neuer Richter wird in einem gemischten Gremiumberaten, welchem je eine Vertretung der Landtagsfraktionen sowie derJustizminister, eine gleich grosse Zahl von durch den Landesfürsten zuernennenden Vertretern sowie der Landesfürst selbst angehören. DerFürst führt den Vorsitz, hat den Stichentscheid und das Vetorecht. DemGremium obliegt es, einen Richter für eine Richterstelle vorzuschlagen.Der Landtag kann diese Wahl bestätigen, sodass der neue Richter ge-wählt ist. Falls der Landtag den Kandidaten nicht bestätigt, kann er eineeigene Nomination vornehmen. Die Entscheidung über die Wahl desRichters fällt dann in einer Volksabstimmung, wobei aus dem Volk mit-92Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation in Liechtenstein
93Direktdemokratische EinrichtungenTabelle 7: Die traditionellen direktdemokratischen Instrumente in Liechtenstein ArtIIFRBRBRORIIQuelle: Marxer (i.Vorb). Legende: I = Initiative; FR = Fakultatives Referendum; BR = Behördenreferendum (Landtagsbegehren); OR = Obligatorisches Referendum; SB = Sammelbegehren; GB = Gemeindebegehren; LB = Landtagsbegehren.Inhalt VerfassungsänderungGesetzesänderungVorbehalt: Übereinstimmung mit Ver-fassung und bestehenden StaatsverträgenEvtl. Gegenvorschlag des LandtagesVetorecht des FürstenVerfassungsänderungGesetzesänderungVerfassungsvorlageGesetzesvorlageFinanzbeschlussStaatsvertrag (seit 1992)VerfassungsvorlageGesetzesvorlageStaatsvertragFinanzbeschlussVorbehalt: Dringliche Landtags -beschlüsse ausgenommenZu erlassende GesetzesbestimmungenErhöhung der Steuersätze auf mehr alsdas Anderthalbfache des abgelaufenen FinanzjahresLandtagseinberufungLandtagsauflösungUrheberSBGBSBGBSBGBLBLBORSBGBSBGBInstrumentGesetzliche GrundlageVolksinitiative zur Einbringung von GesetzesvorschlägenArt. 64 Abs. 3 LV.. . in der Form eines ausgearbeitetenEntwurfs (formulierte Initiative)Art. 80 Abs. 2 und Art. 82 VRGVolksinitiative zur Einbringung von GesetzesvorschlägenArt. 64 LV.. . in der Form einer einfachen An regung (einfache Initiative)Art. 80 Abs. 2 und Art. 81 VRGVolksabstimmung (Referendum)Art. 66/66bis LVVolksabstimmung auf Beschluss desLandtagesArt. 66/66bis LVVolksabstimmung über die Aufnahmeeinzelner Grundsätze in ein zu erlas-sendes Gesetz (Konsultativabstim-mung) Art. 66 Abs. 3 LVErhöhung der SteuersätzeArt. 51 Abs. 2 Steuergesetz (LGBl.1961 Nr. 7)LandtagseinberufungArt. 48 Abs. 2 LVLandtagsauflösungArt. 48 Abs. 3 LV
tels Unterschriftensammlung noch weitere Kandidatenvorschläge zurgleichen Abstimmung gemacht werden können. Das Volk tritt also erstgegen Ende des Verfahrens in Aktion, und dies nur im Ausnahmefall,wenn sich die erstinstanzlich zuständigen Gremien nicht auf einen Kan-didaten einigen können. Falls keine Eigeninitiative des Volkes bei derNomination von Kandidaten vorliegt, handelt es sich daher um ein rei-nes Personalplebiszit. Aber auch im Falle einer Volksnomination kannwegen des Ausnahmecharakters dieses Bestellvorgangs nicht von einemBottom-up-Verfahren gesprochen werden.Beim Misstrauensvotum gegen den Fürsten handelt es sich zwarum ein Verfahren, das vom Volk mit Unterschriftensammlung initiiertwerden kann. Im Falle einer Annahme des Misstrauensvotums in einerVolksabstimmung richtet sich das Votum zur Beratung und Entschei-dung jedoch an das Fürstenhaus, welches mit Verwarnung, Disziplinie-rung oder Absetzung des Fürsten reagieren kann – oder aber auch dasMisstrauensvotum ablehnen, womit der Status Quo erhalten bleibt. DasVerfahren endet somit nicht in einer Volksabstimmung mit verbindlicherEntscheidung und direkter Wirkung, da die Abstimmung lediglich einenAntrag an das Fürstenhaus darstellt, welches in seiner Entscheidung freiund ungebunden ist.Beim Verfahren zur Abschaffung der Monarchie ist die direkteEntscheidgewalt des Volkes ebenfalls eingeschränkt. Das Verfahren be-ginnt zwar mit einer Unterschriftensammlung zur Einleitung der Monarchieabschaffung und endet mit einer verbindlichen Volksabstim-mung, mit welcher eventuell eine republikanische Verfassung eingeführtwird, gegen die der Fürst kein Veto einlegen kann. Nach der erstenVolksabstimmung über die Einleitung des Verfahrens zur Abschaffungder Monarchie geht die Initiative jedoch an den Landtag über. Der Land-tag muss im Falle einer Annahme der Initiative innerhalb eines Jahreseine republikanische Verfassung ausarbeiten, über welche dann inner-halb eines weiteren Jahres eine Volksabstimmung stattfindet. Das Volkbleibt in seiner Handlungsfähigkeit auch insofern eingeschränkt, als esdem Fürsten freisteht, für die Abstimmung eine eigene Vorlage zu prä-sentieren – ohne Vorgabe, ob republikanisch oder nicht –, während nichtvorgesehen ist, dass auch die Initianten oder weitere Akteure (das Volk)eine Vorlage präsentieren könnten. Selbstverständlich könnten Initian-ten unabhängig von dieser neuen Verfassungsbestimmung zur Monar-chieabschaffung jederzeit eine neue Verfassung ausarbeiten und dazu94Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation in Liechtenstein
eine Volksinitiative starten. Im Unterschied zum Verfahren über die Mo-narchieabschaffung hätte der Fürst jedoch in diesem Fall das Vetorecht(Tab. 8).Einsatz der InstrumenteDie direktdemokratischen Instrumente werden in Liechtenstein zurück-haltend eingesetzt. Die 2003 neu eingeführten, eingeschränkt direktde-mokratischen Verfahren sind bisher nicht angewendet worden. In derbisherigen Abstimmungsgeschichte Liechtensteins von 1919 bis 2009dominierten bei aller Vielfalt der Instrumente und Verfahren die klassi-95Direktdemokratische EinrichtungenTabelle 8: 2003 neu eingeführte direktdemokratische Instrumente in LiechtensteinArtORIIIORLegende: I = Initiative; FR = Fakultatives Referendum; BR = Behördenreferendum (Landtagsbegehren); OR = Obligatorisches Referendum.Inhalt RichterwahlVorbehalt: Nur im Dissensfall dernormalerweise zuständigen GremienRichtervorschlagVorbehalt: Nur im Dissensfall dernormalerweise zuständigen GremienAntrag an Fürstenhaus(Entscheid im Fürstenhaus)Landtag muss bei Annahme der Vor-lage republikanische Verfassung aus-arbeitenRepublikanische Verfassungsvorlagedes LandtagesEvtl. Gegenvorschlag des Fürstenohne materielle EinschränkungInstrument, Gesetzliche GrundlageRichterbestellungArt. 96 Abs. 2 LVNomination von RichterkandidatenArt. 96 Abs. 2 LVArt. 86a VRGMissrauensvotum gegen FürstenArt. 13ter LVAbschaffung der MonarchieArt. 113 LV1. Stufe: Einleitung des VerfahrensAbschaffung der MonarchieArt. 113 LV2. Stufe: Volksabstimmung über eineneue VerfassungUrheberAusgelöst beiDissens zwi-schen Richter -bestellgre-mium undLandtagSammel -begehrenSammel -begehrenSammel -begehrenObligatorisch
schen Instrumente, nämlich Behördenvorlagen, Volksinitiativen und Re-ferenden (Tab. 9).Die Zahl von insgesamt 99 Abstimmungsvorlagen, darunter auchmehrere Vorlagen zum gleichen Sachverhalt an einzelnen Abstimmun-gen, bedeutet im langjährigen Durchschnitt rund eine Abstimmung proJahr, während in der Schweiz im langjährigen Durchschnitt jährlich übermehr als zehn nationale Vorlagen abgestimmt wird.39 Die relativ geringeZahl von Volksabstimmungen in Liechtenstein weist darauf hin, dass diedirektdemokratischen Instrumente nicht zum Regelfall der Politik gehö-ren. Im Normalfall werden Entscheidungen durch die zuständigen Re-präsentativorgane getroffen, im Gesetzgebungsprozess also vom Land-tag mit anschliessender Sanktion des Fürsten. Volksinitiativen werdenerst dann ergriffen, wenn sich abzeichnet, dass Regierung und Landtagnicht gewillt sind, eine entsprechende Vorlage auszuarbeiten und zu ver-abschieden. Initiativen haben daher einen Ventilcharakter im politischenSystem, anders als etwa in der Schweiz, wo Initiativen auch als Mittel desAgenda-Setting und des politischen Marketing eingesetzt werden. In derSchweiz ist es daher bezeichnend, dass Initiativen in den meisten Fällenkeine Aussicht auf Erfolg haben. Trotzdem werden sie ergriffen, um einThema ins Gespräch zu bringen, Menschen für ein Anliegen zu mobili-sieren und die Initianten – häufig auch politische Parteien – zu profilie-ren. Als «erfolgreiches Scheitern» gilt, dass eine an sich wenig aussichts-reiche Initiative nicht allzu hoch abgelehnt wird.In der Zeit von 1980 bis 2004 waren weniger als zehn Prozent derInitiativen in der Schweiz erfolgreich. Demgegenüber waren in Liech-tenstein im gleichen Zeitraum mehr als 30 Prozent erfolgreich, darunterauch die Initiative des Fürstenhauses zur Revision der Verfassung von2003. Bei den Referenden zeigt sich ebenfalls ein Unterschied in der Er-folgsquote zwischen der Schweiz und Liechtenstein. Während im ge-nannten Zeitraum in der Schweiz zwei Drittel der Behördenvorlagenvom Volk angenommen wurden, wurden in Liechtenstein zwei Drittelabgelehnt. Das heisst also, dass in Liechtenstein seltener als in derSchweiz abgestimmt wird, wenn aber abgestimmt wird, dann besondersbehördenkritisch: Initiativen werden am Landtag vorbei häufiger als in96Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation in Liechtenstein39 Ausführlich zum Vergleich mit der Schweiz, den Erfolgsquoten usw. bei Marxer /Pállinger 2007; Marxer (i. Vorb.).
der Schweiz angenommen, während Vorlagen des Landtages in Volksab-stimmungen häufiger abgelehnt werden als die Behördenvorlagen in derSchweiz. Die direktdemokratischen Instrumente werden daher insbe-sondere als Ventil (Initiative) gegen Blockaden im Landtag oder Not-bremse (Referendum) gegenüber dem politischen Entscheidprozess inden Repräsentativorganen eingesetzt.StimmbeteiligungNach Linders These (2005, 320 ff.) lassen sich in einem politischen Sys-tem nicht gleichzeitig der Wahl- und der Abstimmungseinfluss maxi-mieren. In einem direktdemokratischen Kontext wie der Schweiz habendie Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Möglichkeit, die Politik aufdem Weg von Referendum und Initiative wesentlich mit zu gestalten.Dies zwingt die Parteien und Staatsorgane zu einem konkordanten Po-litikstil, der geprägt ist von Verhandlungsprozessen, Kompromissen undbreit abgestützten Lösungen. Eine Folge davon ist auch die Regierungs-beteiligung der stärksten Parteien in einer Vielparteien-Koalition. Dem-entsprechend verlieren Wahlen stark an Richtung weisender Bedeutung,womit auch die Wahlmotivation und die Wahlbeteiligung sinken. Um-gekehrt bedeutet dies, dass in Konkurrenzdemokratien ohne direktde-mokratische Rechte – etwa im britischen Westminstermodell – der Ein-fluss von Wahlen hoch ist, sodass auch die Motivation zur Wahlteil-nahme höher ist.Trotz direktdemokratischer Einrichtungen weist jedoch Liechten-stein im Gegensatz zur Schweiz eine ausgesprochen hohe Wahlbeteili-gung auf. Sie bewegte sich bis in die 1980er Jahren auf einem Niveau von97Direktdemokratische EinrichtungenTabelle 9: Art der Vorlage bei Volksabstimmungen 1919 bis 2009Art der Vorlage Zahl ProzentTotal Behördenvorlagen (Landtagsbegehren) 42 42.4Initiative (Sammelbegehren) 34 34.3Referendum (Sammelbegehren) 23 23.2Total 99 100.0Quelle: Marxer (i.Vorb.)
über 90 Prozent, sank dann in den 1990er Jahren auf Werte, die immernoch weit oberhalb von 80 Prozent liegen. Viel deutlicher ist dagegen dieStimmbeteiligung gesunken.40 Die früheren Werte von 80 bis 90 Prozentwerden in neuerer Zeit nur bei besonders mobilisierenden Volksabstim-mungen erreicht und stellen nicht mehr den Regelfall dar. Der Urnen-gang bei Volksabstimmungen ist stark selektiv geworden. Die tiefsteStimmbeteiligung wurde mit 36,5 Prozent 1992 bei einer Abstimmungüber die Herabsetzung des Wahlalters registriert, während die Verfas-sungsabstimmung 2003 mit 87,7 Prozent Stimmbeteiligung an vergan-gene Zeiten erinnerte. Mit 87 Prozent Stimmbeteiligung bewegte sich dieerste EWR-Abstimmung 1992 in ähnlicher Grössenordnung (Abb. 4).An die These von Linder anknüpfend wird von den Stimmberech-tigten in Liechtenstein nach wie vor die Landtagswahl als der politischentscheidende Partizipationsakt verstanden, womit auch – anders als inder Schweiz – das repräsentativdemokratische Element im politischenSystem gestützt wird.41 Dies korrespondiert mit der Tatsache, dassVolksabstimmungen in Liechtenstein weit seltener stattfinden als in derSchweiz, und darüber hinaus auch nicht über alle wichtigen Angelegen-98Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation in Liechtenstein40 Ausführlich über die direkte Demokratie in Liechtenstein bei Marxer (i. Vorb.).41 Vergleich der direkten Demokratie in der Schweiz und in Liechtenstein bei Mar -xer / Pállinger 2006.Abbildung 4: Mittelwert der Stimm- und Wahlbeteiligung von 1921 bis 2008 pro Dekade (in Prozent)50%60%70%80%90%100%20er 30er 40er 50er 60er 70er 80er 90er 00er90.394.1 92.6 93.595.2 95.4 93.286.6 86.686.091.083.080.6 79.7 78.968.966.2 65.7Beteiligung LandtagswahlenBeteiligung Volksabstimmungen
heiten, während dies in der Schweiz bei Verfassungsänderungen mit demdiesbezüglichen Abstimmungsobligatorium institutionalisiert ist. Ab-stimmungen finden in Liechtenstein sowohl über wichtige wie auch eherunbedeutende Vorlagen statt, je nachdem ob der Landtag oder eine Bür-gerbewegung eine Volksabstimmung herbeiführen will. Damit bekom-men die direkten Volksrechte in Liechtenstein einen Ausnahmestatusmit den bereits erwähnten Merkmalen einer Notbremse oder eines Ven-tils, bilden also nicht den Regelfall.Im Sinne dieser Logik bewegt sich das Unterschriftenquorum inLiechtenstein prozentual deutlich über demjenigen der Schweiz. Für Re-ferenden und Initiativen werden abhängig vom Sachverhalt die Unter-schriften von knapp sechs bis neun Prozent der Stimmberechtigten ver-langt, während das Quorum in der Schweiz derzeit rund ein bis zweiProzent (Referendum bzw. Initiative) beträgt. Bei der Einführung derliechtensteinischen Volksrechte 1921 waren es sogar 22 beziehungsweise33 Prozent, was den avisierten Ausnahmecharakter der direkten Demo-kratie unterstreicht. Faktisch ist es allerdings so, dass das relativ hoheUnterschriftenquorum in den kleinräumigen Verhältnissen Liechten-steins keine prohibitiv hohe Hürde darstellt. Es gibt genügend Fälle, indenen wenige Personen ein Referendum erfolgreich ergriffen haben, dasich je nach Mobilisierungspotenzial einer Vorlage leicht eine Sammel-dynamik entwickeln kann.42Initiativen zur Verfassungsabstimmung von 2003Bei der Verfassungsabstimmung von 2003 wurde über zwei separate,verfassungsändernde Volksinitiativen nach dem Verfahren des doppeltenJa abgestimmt. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stand von An-fang an die Initiative des Fürstenhauses, welche zuerst angemeldetwurde und während der gesamten Kampagnendauer die öffentlicheAgenda beherrschte, während die «Volksinitiative für Verfassungsfrie-den» eine Gegenreaktion auf die Fürsteninitiative war, welche vom Fürs-99Direktdemokratische Einrichtungen42 Referenden, die zunächst auf ein Engagement einer Einzelperson zurückgehen, wa-ren beispielsweise das Referendum zum Gesetz über die Krankenkasse 1989, zumGesetz zum Schutz gegen Lärm 1991, zum Verpflichtungskredit für das Musikfes-tival «Little Big One» 2002 oder zur Erweiterung des Polizeigebäudes 2004.
ten von vornherein als «Totgeburt»43 gebrandmarkt wurde und ohnegrosse Erfolgsaussichten blieb.Die Initiative des Fürstenhauses fügt sich gut in die Analyse überden Charakter von Volksinitiativen in Liechtenstein ein. Die öffentlichgeäusserte Begründung des Fürsten und des Erbprinzen zur Anmeldungder Initiative lautete, dass ihre Verfassungsvorschläge wohl keineChance hätten, im Landtag die erforderliche Einstimmigkeit oder dieZustimmung von drei Vierteln der Stimmen an zwei aufeinander folgen-den Sitzungen zu erhalten. Um dieser Blockade im Landtag auszuwei-chen, ergriffen sie das Mittel der Volksinitiative, womit der Landtag um-gangen wurde.Es war allerdings nicht unumstritten, ob der Fürst zum Ergreifeneiner Volksinitiative legitimiert sei. Als Staatsoberhaupt fällt ihm im po-litischen System Liechtensteins nicht die Rolle eines einfachen Stimm-bürgers zu. Das Staatsoberhaupt sollte sich nach Meinung von Ver -fassungsexperten weitgehend aus dem politischen Alltagsgeschäft heraushalten und stattdessen integrativ und bedacht kontrollierend wir-ken (Batliner 1994, 96; Wille 1991). Normativ betrachtet führt eineVolksinitiative des Fürsten beispielsweise zur Konfliktlage, dass derFürst als Initiant und Auslöser am Anfang des Verfahrens steht und mitdem Sanktionsrecht des Staatsoberhaupts zugleich an seinem Ende. Diesuntergräbt die Gewaltenteilung. Es ist auch fraglich, ob die Verfassungdiesen Schritt zulässt. Explizit normiert ist, dass der Fürst durch Regie-rungsvorlagen initiativ werden kann. Das hiesse aber, dass solche Vorla-gen via Regierung an den Landtag gehen müssten und dort entschiedenwerden. Mit einer Volksinitiative des Fürsten wird dagegen das Zusam-menwirken von Fürst und Landtag ausser Kraft gesetzt. Das Verfas-sungsprinzip von 1921, wonach das politische System Liechtensteinsmassgeblich repräsentativ ausgestaltet ist, wird mit der Umgehung desLandtages verletzt. An dessen Stelle trat im vorliegenden Fall der Ver-fassungsinitiative des Fürstenhauses das unmittelbare politische Mitei-nander- und Aufeinanderwirken von Fürst und Volk.Im Kapitel über die Entwicklung des Verfassungskonfliktes wirdüber die rechtliche Auseinandersetzung bezüglich der Initiative des100Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation in Liechtenstein43 Interview von Fürst Hans-Adam II. im Liechtensteiner Vaterland, 31. Oktober2002.
Fürstenhauses ausführlicher berichtet. An dieser Stelle können wir esbeim Hinweis belassen, dass der Staatsgerichthof, welcher sich mit die-ser Frage zu befassen hatte, keine eindeutige Antwort gab. Er stellte al-lerdings fest, dass das Recht der Initiative mindestens dem Erbprinzenzustehe, sodass sie formal zulässig sei.Materiell wurden gegen die Initiative des Fürstenhauses ebenfallsEinwände vorgebracht. Die Fülle der Regelungsbestände in einer einzi-gen Vorlage warf die Frage nach der Einheit der Materie auf. Weder beimSammeln der Unterschriften noch bei einer späteren Volksabstimmungkonnte der Wille der Stimmberechtigten klar zum Ausdruck gebrachtwerden. Wer für den Artikel zur Monarchieabschaffung war, musstenicht unbedingt für die Beibehaltung des Vetorechtes des Fürsten sein,wer gegen ein Austrittsrecht der Gemeinden aus dem Staatsverband war,hätte vielleicht ein Misstrauensvotum gegen den Fürsten begrüsst usw.Da das liechtensteinische Recht eine Einheit der Materie nicht explizitverlangt, wurde die Vorlage diesbezüglich vom Staatsgerichthof nichtbeanstandet. Das Erfordernis nach «Eindeutigkeit eines Begehrens»könnte jedoch durchaus in dem Sinne verstanden werden, dass sich einBegehren auf einen einzigen Sachverhalt beziehen muss, damit die un-verfälschte Willensbildung des Volkes möglich ist (ausführlich bei Mar-xer i. Vorb.).Weitere materielle Einwände betrafen beispielsweise das fehlendeFrauenstimmrecht im Fürstenhaus und weitere Sonderregelungen imHausgesetz, welche durch die Vorlage des Fürstenhauses quasi sanktio-niert und neuerlich bekräftigt werden sollten. Hinzu kamen Bedenkenbezüglich der Vereinbarkeit mit bestehenden Staatsverträgen, insbeson-dere der Mitgliedschaft im Europarat. Von den Kritikern wurde die Vor-lage als Demokratieabbau gewertet, welcher nicht den Demokratiean-forderungen des Europarates entspreche. Obwohl diesbezüglich vomEuroparat beziehungsweise der Venedig-Kommission kritisch-ableh-nende Signale kamen, führte dies nicht zu einem Stopp des Verfahrens(vgl. hierzu ausführlich das folgende Kapitel). Alle rechtlichen und poli-tischen Bemühungen, die im August 2002 angemeldete Initiative desFürstenhauses zu verhindern, scheiterten.Bedenken zur Legitimität und Gültigkeit der Initiative tauchtenauch im Vorfeld der Volksabstimmung auf. Die in dieser Studie ausführ-lich abgehandelte Kampagnenkommunikation liess bei Kritikern undGegnern der fürstlichen Vorlage Zweifel aufkommen, ob die Form der101Direktdemokratische Einrichtungen
öffentlichen Auseinandersetzung demokratischen Ansprüchen genüge.Rechtliche Unterstützung fanden die Bedenken in einem Urteil desStaatsgerichtshofes über eine Nichtigkeitsbeschwerde gegen die EWR-Volksabstimmung vom Dezember 1992. Darin hatte der Staatsgerichthofdie einseitige Informationskampagne der Staatsorgane gerügt, nament-lich einen einseitig ausgerichteten Auftritt des Regierungschefs und desLandesfürsten im Landeskanal kurz vor der Volksabstimmung.44 Bei derVerfassungsabstimmung von 2003 wurde bereits vor der Volksabstim-mung eine Nichtigkeitsbeschwerde eingereicht. Der Staatsgerichtshofstellte in seinem Urteil fest, dass verschiedene Aussagen des Fürsten, in denen er mit Unterstellungen gegen seine Gegner operierte, einen Gesetzesverstoss darstellen. Dies seien jedoch keine «groben» Unregel-mässigkeiten und ausserdem «durch die laufende, sehr intensive Verfas-sungsdiskussion immer wieder so stark relativiert worden, dass von einer entscheidenden Beeinträchtigung der Abstimmungsfreiheit derStimmbürger nicht gesprochen werden könne»45. Nach der Volksab-stimmung wurde keine Beschwerde eingereicht, sodass keine weitere ju-ristische Auseinandersetzung und richterliche Beurteilung stattfand. DieZustimmung des Volkes zur Vorlage des Fürstenhauses und die Verfas-sungsänderung waren damit formal rechtsgültig zustande gekommen.102Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation in Liechtenstein44 StGH 1993 / 8 vom 21. Juni 1993, in LES 1993, 91; VBI 1993 / 7 vom 3. März 1993(nicht veröffentlicht).45 StGH (2002 / 73 vom 3.2.2003).
4 Der Verfassungskonflikt in Liechtenstein4.1 VorgeschichteDer Verfassungskonflikt hatte eine lange Vorgeschichte, ehe er in derVolksabstimmung von 2003 vorläufig beendet wurde. Bereits im Über-gang der Regierungszeit von Fürst Franz Josef II. zu Hans-Adam II. –ab 1985 als Stellvertreter des Fürsten, nach dem Tod seines Vaters 1989als dessen Nachfolger – zeichnete es sich ab, dass Hans-Adam II. eineandere Vorstellung über die Rolle des Monarchen im liechtensteinischenpolitischen System hatte als sein Vorgänger. Gemäss Analyse vonWaschkuhn (1994, 89) vertrat Franz Josef eine christlich-konservativeund integrative politische Philosophie. Die vornehme Zurückhaltung,welche sich Fürst Franz Josef II. in der Regel in politischen Alltagsfra-gen auferlegte, gehe exemplarisch aus Bemerkungen in seiner Thronredevom 5. April 1955 hervor: «Eine demokratische Staatsform bedeutete,wie es das Wort Demokratie schon betont, dass die Macht beim Volkliegt, dass das Volk seine politischen Geschicke selbst leitet. Auch in ei-ner konstitutionellen Monarchie, wie es in Liechtenstein ist, bestimmtund leitet das Volk in weitestgehendem Masse die Politik.»46 Ebenfallsexemplarisch kann dagegen Fürst Hans-Adam II. wie folgt zitiert wer-den: «Die liechtensteinische Verfassung legt die politische Macht imStaat auf zwei [. . . ] Träger. Der eine dieser Machtträger ist das Volk, derandere der Fürst. Beide sind gleichberechtigt!»47Waschkuhn resümierte 1994 (108): «Hans-Adam II. steht zwar inder Kontinuität seines Vaters, aber er ist aufgrund seiner konzeptionel-10346 Regierung 1986 (Thronreden), 48.47 Ansprache an der Jungbürgerfeier in Ruggell vom 8. November 1986, Liechtenstei-ner Vaterland, 11. November 1986.
len Begabungen in vielem ein Neuerer, der sich hierin auch gerne argu-mentativ erprobt. Er verfügt zweifelsohne, wie bereits hervorgehoben,über ein unabhängiges Urteilsvermögen, ein hohes Reflexionsniveauund über eine besondere Art kreativer Symbolik. Hans-Adam mischtsich in den politischen Prozess ein – nach seinem Rollenverständnis we-niger als neutraler ‹Schiedsrichter›, vielmehr als massgeblicher ‹Spielge-stalter› –, prägt einen neuen monarchischen Stil und steht dadurch un-weigerlich vor Akzeptanzproblemen.»Die forsche Gangart von Fürst Hans-Adam II. war etwa in seinenBemühungen für einen Uno-Beitritt Liechtensteins zu erkennen. Trotzder Ablehnung eines Uno-Beitritts der Schweiz in einer Volksabstim-mung 1986 und der sicherlich vorhandenen Skepsis bezüglich einesUno-Beitritts Liechtensteins in der Bevölkerung und in der politischenElite, engagierte sich Hans-Adam II. bereits als Stellvertreter des Fürs-ten in dieser Frage. 1990 wurde der Uno-Beitritt Liechtensteins dennauch im Landtag beschlossen. Eine Volksabstimmung konnte undmusste nicht durchgeführt werden, da das Staatsvertragsreferendum erst1992 eingeführt wurde. In dieser aussenpolitischen Frage hatte Hans-Adam bereits deutlich Flagge gezeigt und war mit seinen Vorstellungendurchgedrungen. Damit wurde auch sein bereits 1970 angedeuteterKurs wandel vollzogen, nämlich Liechtenstein aussenpolitisch verstärktselbständig zu positionieren. Nach der «Rucksackpolitik» – früher imSchlepptau Österreichs, seit den 1920er Jahren im Schlepptau derSchweiz – sollte sich Liechtenstein stärker auf die eigenen Ressourcenund Möglichkeiten besinnen und mehr Eigenständigkeit entwickeln.48Das Ereignis, welches in der journalistischen Berichterstattungmeist als auslösender Faktor für die spätere Initiierung einer Verfas-sungsrevision zitiert wird, ist die Staatskrise von 1992. Streitpunkt wardie Anberaumung einer Volksabstimmung über das EWR-Abkommen.Der Landtag hatte dem EWR-Vertrag am 16. September zugestimmtund gleichzeitig die Durchführung einer Volksabstimmung beschlossen.Dies war seit der Einführung des Staatsvertragsreferendums möglich.Die Regierung setzte den Abstimmungstermin auf den 11. / 13. Dezem-ber 1992 fest, kurz nach dem Termin der EWR-Volksabstimmung in derSchweiz. Fürst Hans-Adam II. kritisierte diese Terminfestlegung und104Der Verfassungskonflikt in Liechtenstein48 Erbprinz Hans-Adam II. im Liechtensteiner Vaterland, 15. September 1970.
verlangte die Durchführung der Abstimmung vor der schweizerischenAbstimmung. Am 27. Oktober forderte er andernfalls den Rücktritt derRegierung und drohte mit der Auflösung des Landtages und der Entlas-sung der Regierung, wobei er dann interimistisch selbst die Regierungs-geschäfte leiten wollte. Der Landtag war bereits auf den 28. Oktober1992 zu einer ausserordentlichen Sitzung geladen worden, an welcherder Fürst den Landtag auflösen und anschliessend die Regierung entlas-sen wollte.In dieser Phase schaltete sich ein eilends aus Exponenten der bei-den Landtagsparteien – VU und FBP – gebildetes «Überparteiliches Ko-mitee für Monarchie und Demokratie» für Vermittlungsgespräche ein,wobei das Komitee gleichzeitig zu einer Demonstration vor dem Regie-rungsgebäude in Vaduz anlässlich der betreffenden Landtagssitzung auf-rief. Die Kompromissverhandlungen waren erfolgreich, doch als derFürst beim Regierungsgebäude vorfuhr, wurde er mit Pfiffen und Buh-rufen der Demonstranten empfangen. Schliesslich wurde der Abstim-mungstermin der Regierung beibehalten, gleichzeitig stellten aber dieBeteiligten – der Landtag nur mehrheitlich – fest, dass das Ja zum EWR-Abkommen unabhängig vom Abstimmungsausgang der Schweiz gelte.Damit war das Vertrauen des Landesfürsten in den Landtag und die Re-gierung wieder hergestellt.Mit diesen Ereignissen war für alle Beteiligten offenkundig gewor-den, dass über die Auslegung der Verfassung Dissens bestand. Der Fürstbeanspruchte die in der Verfassung normativ festgehaltenen Kompeten-zen, so im Zusammenhang mit der EWR-Abstimmung insbesondere dieherausgehobene Rolle des Fürsten in der Aussenpolitik. Aber auch in in-nenpolitischen Fragen fühlte sich der Fürst übergangen und konnte dies-bezüglich auch auf Unachtsamkeiten bei der Publikation von Gesetzenohne vorherige Einholung der Sanktion durch den Fürsten verweisen,was er wiederholt als Verfassungsbruch bezeichnete. Ferner kritisierte erdie freizügige Praxis bei der Beamtenernennung, da die Verfassung zwardem Fürsten das Recht zusprach, Beamte zu ernennen, aber in fast allenFällen statt Beamte nur Angestellte ohne Ernennung durch den Fürstenin der Landesverwaltung beschäftigt wurden. Dies taxierte der Fürst alsAushöhlung seines Beamtenernennungsrechtes.Am 11. November 1992 stellte der Landtag folglich fest, dass dieVerfassung durch präzisere Formulierungen geändert oder im Einver-nehmen mit dem Fürsten eindeutig interpretiert werden sollte. Vor einer105Vorgeschichte
Landtagsdelegation thematisierte Fürst Hans-Adam II. in informellemRahmen am 7. Dezember 1992 Probleme bei der Auslegung der Verfas-sung.49 In den Folgejahren wurden zahlreiche Vorschläge und Vorstössevon Seiten des Fürsten unternommen, um eine anstehende Verfassungs-revision in die von ihm gewünschten Bahnen zu lenken. In der Thron-rede vom 12. Mai 1993 schlug er ein geregeltes Verfahren zur Abschaf-fung der Monarchie vor.50 Der Ankündigung folgten Taten: Im Juli 1993legte Fürst Hans-Adam II. der Regierung zwei Papiere zur Verfassungs-änderung vor. Das eine bezog sich auf Art. 13ter LV und beinhaltete ei-nen neuen Artikel zum Misstrauensantrag gegen den Fürsten und zurAbschaffung der Monarchie. Dies sollte vor allem vor dem Hintergrundder Staatskrise von 1992 ein weiteres Auseinanderdriften der beidenSouveräne verhindern, welches zu einer latenten Schwächung der Mo-narchie führe. Die Idee sei ihm im Zusammenhang mit der Neuordnungdes Hausgesetzes gekommen, in welchem familieninterne Konfliktrege-lungsmechnismen eingebaut worden seien. Die zweite Vorlage bezogsich auf die Richterbestellung und Beamtenernennung. Der Fürst wollteauf das (nicht mehr praktizierte) Recht der Beamtenernennung verzich-ten, stattdessen aber seine Rolle bei der Bestellung der Richter stärken.Anstatt das Vorschlagsrecht beim Landtag zu belassen, sollten künftigdie Richternominationen vom Fürsten ausgehen. Das Ernennungsrechtsollte ebenfalls beim Fürsten liegen, er hätte allerdings vorher das Ein-vernehmen mit dem Landtag zu suchen. Sollte es keine Einigung geben,könnten die Landesbürger mittels einer Volksinitiative eigene Kandida-ten nominieren, welche der Landesfürst dann ernennen würde.Die Ereignisse wurden in den folgenden Monaten allerdings vonder Absetzung des Regierungschefs überschattet. Nach der im Februar1993 gewonnenen Wahl fiel Regierungschef Markus Büchel (FBP) beider eigenen Partei in Ungnade. Seine unberechenbare Amtsführungwurde kritisiert. Am 14. September 1993 sprach daher der Landtag in einer ausserordentlichen Sitzung dem erst knapp hundert Tage amtie-renden Regierungschef das Misstrauen aus. Die Absetzung konnte nur106Der Verfassungskonflikt in Liechtenstein49 Chronologie der Ereignisse auf der Website des Vereins zur Stärkung der Volks-rechte (www.volksrechte.li, Verfassungsdebatte in Liechtenstein, Zugriff am14.8.2007). Der Verein entstand nach der Verfassungsabstimmung aus der Initiativefür Verfassungsfrieden.50 Waschkuhn 1994, 114 Fn. 83. Regierung Bericht und Antrag 87 / 2001, 4.
mit Zustimmung des Landesfürsten erfolgen. Statt aber einen neuen Re-gierungschefkandidaten zu akzeptieren, entliess der Fürst die Regierungund löste gleichzeitig den Landtag auf, sodass Neuwahlen durchgeführtwerden mussten. Eine der letzten Amtshandlungen des abgewählten Re-gierungschefs war die Gegenzeichnung des neuen Hausgesetztes desFürstenhauses von Liechtenstein, was zu einem neuen Streitpunktwurde. Denn das Hausgesetz wurde im Landesgesetzblatt als LGBl.1993 Nr. 100 im Dezember 1993 publiziert, ohne dass der Landtag inden Gesetzesprozess einbezogen worden wäre. 16 Abgeordnete allerParteien verabschiedeten am 20. / 21. Dezember 1993 eine Interpellationmit 19 Fragen im Zusammenhang mit dem Hausgesetz. VonVerfassungs experten wurde ebenso wie in späteren Regierungsstellung-nahmen – insbesondere in der Interpellationsbeantwortung betreffenddie Hausgesetze51 – die Gültigkeit des Hausgesetzes in Zweifel gezogen,so explizit Kley (1998, 44).Am 24. Oktober 1993 wurden die vorgezogenen Neuwahlendurchgeführt, aus welchen die VU als mandatsstärkste Partei hervor-ging, sodass Mario Frick neuer Regierungschef wurde. Im Herbst 1993wurden die Verfassungsvorschläge des Fürsten, die er im Juli des glei-chen Jahres der Regierung vorgelegt hatte, öffentlich gemacht. Im Januar1994 begann eine Vernehmlassung über die Vorschläge, welche im Bericht der Regierung vom 11. August 1994 festgehalten ist. Die Re-formvorschläge stiessen auf breite Ablehnung und der Fürst erklärte ge-genüber Landtagsabgeordneten im November 1994, dass er auch mit derbestehenden Verfassung leben könne.Damit war die Auseinandersetzung über die Interpretation der be-stehenden Verfassung allerdings nicht beendet, sondern trat in eine neueRunde. Der nächste Eklat ereignete sich, als Fürst Hans-Adam II. demVorsitzenden der Verwaltungsbeschwerdeinstanz, Herbert Wille,schriftlich mitteilte, dass er ihn künftig nicht mehr in ein öffentlichesAmt ernennen werde. Anlass war ein Vortrag Willes am Liechtenstein-Institut, in welchem er rechtswissenschaftlich dargelegt hatte, dass imKonfliktfall zwischen Staatsorganen – also auch zwischen Landtag undFürst beziehungsweise Regierung – der Staatsgerichtshof als Interpreta-tionsgerichtshof angerufen werden könne. Dieser Auffassung wider-107Vorgeschichte51 Interpellationsbeantwortung der Regierung, Nr. 61 / 1995.
sprach Fürst Hans-Adam ausdrücklich. Er warf Wille vor, dass er sichnicht auf dem Boden der Verfassung bewege und bereits in seiner Funk-tion als Vizeregierungschef in den Turbulenzen der Staatskrise vom Ok-tober 1992 verfassungswidrige Positionen vertreten habe. Der schwe-lende Verfassungskonflikt war wieder neu lanciert.Daraufhin reichten engagierte Bürger im Sommer 1995 im Landtageine Petition mit dem folgenden Wortlaut ein: «Die unterzeichneten Pe-tenten ersuchen den Landtag, ohne weiteren Verzug die notwendigenund geeigneten Schritte zu unternehmen, um die offenen Fragen undWidersprüche, die sich im Zusammenhang mit der Kontroverse zwi-schen dem Landesfürsten und dem Präsidenten der Verwaltungsbe-schwerdeinstanz ergeben, einer Klärung zuzuführen.»52 Die Petitionwurde von rund 2300 Petitionären unterzeichnet.4.2 Parlamentarischer WegMandatsperiode 1993 bis 1997 – Koalitionsregierung FrickIm Zuge der Behandlung der Petition am 13. / 14. September 1995 setzteder Landtag eine Verfassungskommission ein, welche sich mit den offe-nen und kontroversen Fragen der Verfassung beschäftigen sollte.53 Da-mit war der parlamentarische Weg einer Verfassungsrevision eingeschla-gen. Am 31. Oktober 1996 folgte der erste Bericht der Verfassungskom-mission, welche innerhalb eines Jahres 15 Sitzungen abgehalten hatte. ImHerbst 1996 veröffentlichte die FL einen eigenen Vorschlag für eine neueVerfassung, den sie aus Anlass des 75-jährigen Jubiläums der Verfassungerarbeitet hatte. Die Monarchie wurde in diesem Entwurf auf symboli-sche, repräsentative und integrative Funktionen reduziert.54Die Kommission wurde nach ihrem ersten Bericht explizit be -auftragt, dem Landtag textlich ausgearbeitete Verfassungsvorschläge zu unterbreiten und ein Differenzbereinigungsverfahren in Geschäften vor-108Der Verfassungskonflikt in Liechtenstein52 Liechtensteiner Volksblatt, 19. August 1995. Als Initianten werden Noldi From-melt, Ursula Batliner-Elkuch, Egon Matt und Rupert Quaderer genannt.53 Mitglieder waren Otmar Hasler (FBP, Landtagspräsident, Vorsitz), Gabriel Marxer(FBP), Peter Wolff, Norbert Bürzle (beide VU), Paul Vogt (FL).54 Freie Liste 1996.
zuschlagen, in denen oberste Staatsorgane gemäss Verfassung zusam-menwirken müssen.Mandatsperiode 1997 bis 2001 – Alleinregierung FrickDie Landtagwahlen vom 2. Februar 1997 kamen allerdings zunächst da-zwischen. Nach dem Wahlsieg der VU bei den Wahlen 1997 begab sichdie FPB in die Opposition, womit die gemeinsame Regierungskoalitionvon FBP und VU, welche seit 1938 bestanden hatte, beendet war. In derEröffnungssitzung vom 13. März 1997 wurde eine neue Verfassungs-kommission gewählt, welche bis November 2000 zu 31 Sitzungen zu-sammentrat, neun davon waren Gespräche mit dem Landesfürsten aufSchloss Vaduz.55Die Gespräche mit dem Landesfürsten erwiesen sich allerdings alsschwierig. Bereits in der Thronrede vom 13. März 1997 gab er dieMarschrichtung unmissverständlich vor. Zu den Vorschlägen der Land-tagskommission äusserte sich der Fürst ablehnend: «Der Erbprinz undich haben bereits zum Bericht der vom Landtag eingesetzten Verfas-sungskommission eine Stellungnahme abgegeben. Für den Landtag ist esdeshalb sicher keine Überraschung, wenn ich festhalte, dass wir bei demvom Landtag verabschiedeten Verfassungsmodell ebenso wenig dasStaatsoberhaupt stellen werden wie beim Verfassungsmodell der FreienListe.»56 Er drohte in der gleichen Thronrede auch damit, künftig die Be-amten wieder selbst zu ernennen, sollte es nicht bald zu einer Lösung derVerfassungsfrage kommen. Er rief dem Landtag in Erinnerung, dass dieAutonomie des Fürstenhauses unangetastet bleiben müsse, sprach sichfür eine Trennung von Staat und Kirche aus, ebenso für ein Selbstbe-stimmungsrecht der Gemeinden. Als Alternative für das absolute Veto-recht des Fürsten wies er auf seine eigenen Vorschläge betreffend Miss-trauensvotum gegen den Fürsten und Abschaffung der Monarchie hin.Auch sein früher vorgeschlagenes neues Verfahren bei der Richterbestel-lung wurde in der Thronrede angesprochen.109Parlamentarischer Weg55 Mitglieder waren Peter Wolff (VU, Vorsitz), Norbert Bürzle, Peter Sprenger (beideVU), Otmar Hasler (FBP), Paul Vogt (FL).56 Thronrede, abgedruckt in Liechtensteiner Volksblatt, 14. März 1997.
Die Tonalität der Rede war ebenso beachtlich wie der Inhalt. Diepolitische Elite wurde durchwegs als Oligarchie bezeichnet. Teilen die-ser Elite unterstellte der Fürst, dass sie sich über die Verfassung hinweg-gesetzt habe, im Gegensatz zum Fürstenhaus. Der Landtag werde zu-stimmen müssen, dass Liechtenstein ein Rechtsstaat sein müsse, da Volkund Fürst eine Willkürherrschaft ablehnen würden. Es wurde auch an-gedroht, den Landtag in der Verfassungsfrage auszuschalten: «Schiebtder Landtag eine Entscheidung in diesen zentralen Verfassungsfragenallzu lange auf, läuft er Gefahr, dass Volk und Fürst ohne Mitwirkungdes Landtages entscheiden, wie dies bereits beim Staatsvertragsreferen-dum der Fall war.» Eine zutreffende Prognose, wie sich herausstellensollte.1998 und 1999 wurden Textvorschläge der Verfassungskommissionund des Landesfürsten mehrmals zwischen diesen besprochen, ohne eineEinigung zu erzielen. Am 7. Juni 1999 teilte der Landesfürst der Kom-mission mit, «dass es auf Seiten des Fürstenhauses für bestimmte Fragenkeinen Verhandlungsspielraum mehr gebe und dass bei ausbleibenderZustimmung des Landtages zu seinen Änderungsvorschlägen das Volkentscheiden müsse. Im Falle einer Ablehnung der Vorschläge durch dasVolk würde das Fürstenhaus nur noch eine symbolische Funktion wahr-nehmen und keine politischen Kompetenzen mehr ausüben oder politi-sche Verantwortung tragen.»57 Damit war eine Volksinitiative angekün-digt und gleichzeitig ausgedrückt, dass die bestehende Verfassung vomFürstenhaus nicht als zukunftsfähig erachtet wurde und im Falle eines«falschen» Abstimmungsausgangs auch nicht mehr akzeptiert würde.Die Gespräche gingen erfolglos weiter. Auf dem Tisch lagen zwei ge-gensätzliche Varianten: die Änderungsvorschläge der Verfassungskom-mission vom 1. Juli 1998 (Landtag 2000a) und diejenigen des Fürsten-hauses vom 7. Juni 199958 (Tab. 10).Am 13. Oktober 1999 beschloss die Verfassungskommission, dieVorschläge der Kommission sowie diejenigen des Fürstenhauses Verfas-sungsexperten im deutschsprachigen Raum zur Begutachtung zu unter-breiten. Es sollte dabei insbesondere geklärt werden, ob das demokra -tische oder das monarchische Element bei den betreffenden Vorschlägen110Der Verfassungskonflikt in Liechtenstein57 Bericht und Antrag der Regierung, Nr. 87 / 2001, 8.58 Abgedruckt in Landtag 2000b, Anhang 2.
gestärkt würde und ob die Vorschläge vereinbar mit dem massgebendenVölkerrecht, etwa der Europäischen Menschenrechtskonvention oderdem Statut des Europarates, seien. Als Gutachter wurden René Rhinow,Jochen Abraham Frowein, Stephan Breitenmoser und Christian Funkvon der Regierung beauftragt (Frowein 2000; Breitenmoser 2000; Rhinow 2000; Funk 2001).Als allmählich Informationen über die verschiedenen Verfassungs-vorschläge in die Öffentlichkeit sickerten, obwohl zwischen den Betei-ligten Stillschweigen vereinbart worden war, ging der Landesfürst in dieOffensive. Im Februar 2000 schickte er die Verfassungsvorschläge desFürstenhauses mit Begleitbrief an alle Haushaltungen des Landes («rotesBüchlein»). Darin wurde auch zu Diskussionsveranstaltungen auf111Parlamentarischer WegTabelle 10: Verfassungsvorschläge der Verfassungskommission unddes FürstenhausesSachverhaltStaatsgebietHausgesetzSanktionsrechtNotverordnungRichterbestellungRegierungs -entlassungStaatsgerichtshofQuelle: Auskunft des Landtagspräsidenten Peter Wolff vor dem Landtag, nach Liechtensteiner Volksblatt, 18. Sep-tember 1999.Position des Fürstenhauses vom 7. Juni 1999Selbstbestimmungsrecht der GemeindenAutonomie des FürstenhausesBeibehaltung des Sanktionsrechts,aber Möglichkeit des Misstrauensvo-tums und der MonarchieabschaffungNotverordnungen sechs Monate inKraft, danach Landtagszustimmung.Im Falle einer Ablehnung kann derFürst das Volk entscheiden lassenVorschlagsrecht des FürstenFürst kann einzelne Regierungsmit -glieder oder die Regierung insgesamtentlassenPosition Verfassungskommission vom 1. Juli 1998Detaillierte und konkrete Umschreibungder Kompetenzen des FürstenhausesVolksabstimmung kann Sanktionsverwei-gerung brechenZustimmung des Landtages innert vierWochenWie bisher: Vorschlagsrecht des LandtagesStaatsgerichtshof kann Auslegung übereinzelne Bestimmungen der Verfassungvornehmen
Schloss Vaduz im März und April 2000 eingeladen, an denen die Vor-schläge des Fürstenhauses erläutert und diskutiert werden sollten. Am16. und 30. Mai fanden umgekehrt öffentliche Informationsveranstal-tungen von Seiten der Verfassungskommission in Mauren und Schaanstatt.Diese Monate waren nicht nur von einer innenpolitischen Zerreiss-probe gekennzeichnet, sie fanden gleichzeitig in einer Periode wachsen-den Drucks von aussen auf den Finanzplatz Liechtenstein statt. Ende1999 gelangte ein Dossier des deutschen Nachrichtendienstes BND andie Öffentlichkeit, in welchem Liechtenstein und verschiedenen Akteu-ren auf dem Finanzplatz Geldwäscherei vorgeworfen wurde. Ausgelöstwurde die Affäre durch einen entsprechenden Artikel im deutschenNachrichtenmagazin «Der Spiegel».59 Innenpolitisch führte dies sogleichzu einem Zerwürfnis zwischen der amtierenden Regierung Frick unddem Landesfürsten, welcher ostentativ bedingungslose Aufklärung for-derte («ohne Rücksicht auf Verluste»).60 Ein eigens eingesetzter Sonder-staatsanwalt nahm Ermittlungen auf und es kam zu spektakulären Ver-haftungen mit anschliessenden gerichtlichen Verfahren. Das sogenannteBND-Dossier erwies sich insgesamt allerdings als schlampig recher-chiert und in den Details weitgehend haltlos. Der Druck auf Liechten-stein nahm dennoch weiter zu, insbesondere da die Financial ActionTask Force (FATF) der OECD im Sommer 2000 Liechtenstein auf dieListe der unkooperativen Staaten in Fragen der Geldwäscherei setzte. Esdauerte bis zum September 2001, bis Liechtenstein wieder von dieserListe gestrichen wurde, nachdem eine Reihe von Massnahmen zur stär-keren Kontrolle des Finanzplatzes ergriffen worden waren. Seitdem istallerdings keine Ruhe eingekehrt und die Vorwürfe gegen Liechtensteinund andere Offshore-Finanzplätze wiederholen sich regelmässig. Die112Der Verfassungskonflikt in Liechtenstein59 Der Spiegel, 8. November 1999 (Titel: «Einladung zur Geldwäsche»). Vgl. Liech-tensteiner Volksblatt, 8. November 1999.60 Liechtensteiner Volksblatt, 17. Januar 2000. Eine frühere Version des Dossiers warder Regierung wohl schon 1997 bekannt gewesen, ohne dass Fürst Hans-Adam II.darüber informiert worden wäre. Dies warf er der Regierung in der in- und auslän-dischen Presse wiederholt vor. Nach einer Unterredung zwischen dem Landesfürs-ten und dem Regierungschef konnte die Presse berichten, dass die Differenzen zwi-schen den beiden Organen beigelegt waren. Liechtensteiner Volksblatt, 7. Januar2000.
Ereignisse 1999 und 2000 zeigten sehr deutlich, auf welch schwachenBeinen das wechselseitige Vertrauen hoher Staatsorgane stand und dassexterner Druck für internen Schlagabtausch instrumentalisiert werdenkonnte.Nach Eintreffen der ersten Rechtsgutachten zu den Verfassungs-vorschlägen wandte sich das Fürstenhaus im Sommer 2000 an eigeneGutachter, um die gleichen Fragen abklären zu lassen wie die in den vonder Regierung bestellten Gutachten. Die Ergebnisse der Gutachter wa-ren widersprüchlich. Während die Gutachter des Fürstenhauses, FranzMatscher und Günther Winkler, den Verfassungsvorschlägen des Fürs-tenhauses Unbedenklichkeit attestierten (Winkler 2001; Matscher 2001),äusserten sich die von der Regierung bestellten Gutachter durchwegskritisch. Sie orteten eine Schwächung des demokratischen Elements inder liechtensteinischen Verfassung und sahen Probleme in der Verträg-lichkeit mit internationalem Recht. Ähnlich argumentierte der Jurist undehemalige Regierungschef Gerard Batliner in einer Analyse (2001).Die Gespräche zwischen der Verfassungskommission und demLandesfürsten waren offensichtlich gescheitert. In den wesentlichen Po-sitionen hatte es keine Annäherung gegeben. Bereits im Juni 1999 hatteder Landesfürst erklärt, dass seine Vorschläge nicht mehr verhandelbarseien. Gleichzeitig weigerte sich die Verfassungskommission, die Vor-schläge des Fürstenhauses zu akzeptieren. Auch die Regierung lehnte dieVorschläge ab, da sie eine Schwächung der Demokratie bedeuten wür-den. Im Juli 2000 erklärte Fürst Hans-Adam II. die Fortsetzung der Gespräche mit der Verfassungskommission wegen der zu grossen Mei-nungsdifferenzen als nicht sinnvoll. Er wollte die Landtagswahlen vom9. / 11. Februar 2001 abwarten, um die Verfassungsänderung in neuerKonstellation zu diskutieren.Mandatsperiode 2001 bis 2005 – Alleinregierung HaslerDie Landtagswahlen von 2001 endeten mit einem Sieg der FBP, welchenun die absolute Mehrheit im Landtag besass. Die VU entschied sich wievorher die FBP zum Gang in die Opposition, sodass die FBP mit Regie-rungschef Otmar Hasler eine Alleinregierung bildete. Die FBP war zuden Wahlen mit dem Versprechen angetreten, den Verfassungskonfliktzu lösen. Für den Fürsten eröffneten sich neue Perspektiven, da die fürs-113Parlamentarischer Weg
tenkritische Regierung Frick abgewählt war und Peter Wolff als Wider-part des Fürsten das Landtagspräsidium und den Vorsitz in der Verfas-sungskommission abgeben musste.Die Initiative lag zunächst wieder beim Landesfürsten. Kurz nachden Landtagswahlen verschicke das Fürstenhaus einen geringfügig geän-derten Verfassungsvorschlag, das «grüne Büchlein», wiederum an alleHaushaltungen, ohne vorher das Gespräch mit dem neu gewähltenLandtag gesucht zu haben. Auch die beiden vom Fürstenhaus bestelltenRechtsgutachten wurden öffentlich zugänglich gemacht. Die Aktion warbegleitet von der Drohung, dass das Fürstenhaus den Wohnsitz nachWien verlege, wenn die Vorschläge nicht angenommen würden.Erst jetzt folgten weitere Gespräche mit dem Landesfürsten unddem Erbprinzen, an denen Mitglieder des Landtages, der Regierung, derpolitischen Parteien und des «Forum Liechtenstein» beteiligt waren.61An den Vorschlägen des Fürstenhauses wurden in diesem Zuge nur un-bedeutende Modifikationen vorgenommen, die allerdings in der öffent-lichen Kommunikation als «Kompromiss» dargestellt wurden. Die Vor-schläge der Landtagskommission standen nicht mehr zur Debatte. Dieneu gewählte Regierung traf sich am 12. Juni und am 13. August 2001mit dem Landesfürsten. Der Fürst stellte in der letzten Sitzung klar, dassdas Fürstenhaus nun keinen weiteren Abänderungen zustimme und dassdas Volk entscheiden müsse, wenn der Landtag den Vorschlägen nichtfolge.62Am Staatsfeiertag, dem 15. August 2001, gaben LandtagspräsidentKlaus Wanger und Fürst Hans-Adam II. in ihren Ansprachen auf derSchlosswiese bekannt, dass die Verfassungsdiskussion beendet sei unddass ein Verfassungsvorschlag («Kompromiss») als Regierungsvorlage inden Landtag gelange. Der entsprechende Bericht und Antrag wurde tat-sächlich am 20. November 2001 in der Regierung verabschiedet und am20. und 22. Dezember im Landtag in erster Lesung behandelt.114Der Verfassungskonflikt in Liechtenstein61 Bericht und Antrag der Regierung, Nr. 87 / 2001, 12. Das Forum Liechtenstein istein kleiner, privater Kreis von bekannten Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Ge-sellschaft. Zur personellen Zusammensetzung, den Motiven und dem Vorgehen desForums in der Verfassungsfrage vgl. Liechtensteiner Vaterland, LiechtensteinerVolksblatt, 25. August 2001.62 Bericht und Antrag der Regierung, Nr. 87 / 2001, 13.
Landtagspräsident Klaus Wanger (FBP) eröffnete die Debatte miteinem lebhaften Appell: «Seit dem 28. Oktober 1992 schwelt in unseremLande ein Verfassungskonflikt. Er überschattet und schwächt in hohemMasse die staatlichen Organe in ihrem Handeln, verzehrt Kräfte, spaltetin der jüngsten Vergangenheit die Bewohnerinnen und Bewohner unse-res Landes, und dies in einer Zeit, in der unser Land wie nie zuvor seitdem Zweiten Weltkrieg mit existenziellen Herausforderungen konfron-tiert wird. Heute, am Ende eines langen Prozesses, unterbreitet uns dieRegierung eine Verfassungsvorlage, die einen Kompromiss im Ringenum eine Beendigung dieses Konflikts darstellt. Dieser Kompromiss fin-det, wie bekannt, die Zustimmung des Landesfürsten. Persönlich bin ichnach wie vor der festen Überzeugung, dass auf dieser Grundlage die Bei-legung des schon bald zehn Jahre dauernden Konflikts für unser Landund alle Bewohnerinnen und Bewohner die beste Lösung ist. Die Alter-native, eine Ablehnung dieses Kompromissvorschlages, würde nachmeiner Ansicht eine Staatskrise mit unabsehbaren innen- und aussenpo-litischen Folgen heraufbeschwören. Dies, meine Damen und Herren, istaus meiner Sicht nicht zu verantworten. Im Zentrum der heutigen De-batte steht der Vorschlag der Regierung betreffend die Abänderung derVerfassung. Wir diskutieren heute weder über eine Totalrevision derVerfassung noch über die Vorschläge der Verfassungskommission undauch nicht über die Krisen der Vergangenheit. Es scheint mir auch nichtsinnvoll, ein verfassungsrechtliches Seminar abzuhalten, bei dem jedeund jeder den anderen mit besseren juristischen Argumenten zu über-bieten versucht. Die Beilegung dieses Verfassungskonfliktes ist für michnach wie vor nicht eine juristische, sondern eine politische, ja staatspoli-tische Angelegenheit von grösster Tragweite.»Landtagsvizepräsident Peter Wolff (VU) taxierte die Einleitungs-worte von Klaus Wanger als Nötigungsversuch: «Ist es in diesem Landnicht mehr erlaubt, Gesetzesänderungsvorschläge, Verfassungsände-rungsvorschläge kritisch zu beleuchten und allenfalls auch ihnen nichtzuzustimmen? Ist es denn nicht so, dass dieses Land, wenn diese Verfas-sungsänderungsvorschläge vom Volk nicht angenommen werden sollten,weiter mit der bisherigen bewährten Verfassung, die Sie selbst zu Rechtgelobt haben, leben kann und leben wird? Warum eigentlich nicht? Ichverurteile das und lehne es ab, die Debatte von vornherein mit dieserHypothek zu belasten, dass den Abgeordneten dramatisch eingebläutwerden soll: Wehe, wenn ihr nicht zustimmt, und indirekt über die Laut-115Parlamentarischer Weg
sprecher: Wehe Volk, wenn du nicht zustimmst, dann droht eine Staats-krise. Das ist Angstmacherei, das ist das Gegenteil von demokratischerMeinungsbildung. Ich finde das befremdlich und bedauerlich.»Auch der Abgeordnete Paul Vogt (FL) übte Kritik am Landtags-präsidenten: «Sie haben in einem flammenden Appell und in einem un-erhörten Treuebekenntnis zum Fürstenhaus gesagt, wenn wir hier denVorschlägen des Fürstenhauses nicht zustimmen, dann sind wir für eineunabsehbare Staatskrise verantwortlich. Herr Präsident: Sie und derFürst reden diese Krise herbei, Sie übernehmen diese Verantwortung,nicht wir, die bei der alten Verfassung bleiben wollen.»Die weitere Debatte im Landtag verlief erwartungsgemäss kontro-vers. Während die Abgeordneten der VU und der FL vehement gegendie Vorlage votierten, kamen aus dem Lager der FBP teils kritische, teilsklar unterstützende Stimmen. Am Ende der Debatte in erster Lesungwurde eine vorberatende Landtagskommission gewählt,63 die sich in denkommenden Monaten zu 16 Sitzungen traf, meist in Anwesenheit desRegierungschefs, drei davon mit dem Landesfürsten und dem Erbprin-zen. Es ging darum, den Text der Regierungsvorlage im Lichte der Land-tagsdebatte zu beraten sowie abzuklären, inwieweit allfällige Änderun-gen vom Landesfürsten akzeptiert würden. Der Landesfürst wollte beiden Gesprächen insbesondere in Erfahrung bringen, ob die Vorlage imLandtag die notwendige Dreiviertel-Mehrheit finden würde.64 In dieserPhase zirkulierten wieder verschiedene Textvarianten, welche in derSubstanz allerdings keine Veränderungen brachten.65 Die drei FBP-Ab-geordneten in der Kommission waren bereit, die Vorlage des Fürsten-hauses zu unterstützen, während die beiden VU-Mitglieder diverse Ver-fassungsänderungen ablehnten. Dies betraf die Bestimmungen zumNotverordnungsrecht, zur Regierungsentlassung, zur Richterwahl undzur Aufhebung des Art. 112 LV über Auslegungskompetenzen desStaatsgerichtshofes.66116Der Verfassungskonflikt in Liechtenstein63 Der Kommission gehörten an: Klaus Wanger (Vorsitz, FBP), Helmut Konrad, Mar-kus Büchel (beide FBP), Peter Wolff, Ingrid Hassler (beide VU).64 Für Verfassungsänderungen sind im Landtag Einstimmigkeit oder eine Dreiviertel-Mehrheit an zwei aufeinander folgenden Sitzungen notwendig. Einstimmigkeit warangesichts der laufenden Kontroverse von vornherein illusorisch.65 Landtag 2002a (Beilagen 1 bis 6).66 Landtag 2002a, 2002b, 23.
Der Landesfürst wollte bis zur dritten Sitzung mit der Verfassungs-kommission am 2. August 2002 Klarheit darüber haben, ob sich im Land-tag die erforderliche qualifizierte Mehrheit für seine Vorlage finden liesse,also 19 von 25 Abgeordneten. Die Kommission war allerdings weder inder Lage, für den Landtag zu sprechen, noch trat die Kommission selbsteinheitlich auf. Damit war anzunehmen, dass sich im Landtag keine Drei-viertel-Mehrheit für die Vorlage finden würde. Für diesen Fall hatte derLandesfürst schon verschiedentlich den Weg einer Volksini tiative ange-kündigt. Am 5. August 2002 meldeten dann Fürst Hans-Adam II. undErbprinz Alois in der Tat gemeinsam eine Volksinitiative an.Die Regierung zog ihre Vorlage im Landtag zurück, mit der Be-gründung, dass sich eine weitere Beratung dieser Vorlage erübrigt habe.Eine in wesentlichen Punkten abgeänderte Vorlage wäre vom Fürstenohnehin nicht sanktioniert worden, und für eine unabgeänderte Vorlagewar die notwendige Mehrheit nicht gegeben.4.3 VolksinitiativenVon Anfang an entwickelte sich eine heftige Betriebsamkeit für und wider die Volksinitiative, eine Betriebsamkeit, welche – kurz zusam-mengefasst – gekennzeichnet war von professioneller Vermarktung derInitiative, der Lancierung einer zweiten Volksinitiative als Gegenent-wurf, verschiedenen verfassungsrechtlichen Beschwerden und Abstim-mungsbeschwerden, Appellen an den Europarat, der Gründung vonneuen Bewegungen und Organisationen, zahlreichen Veranstaltungen,hitzigen Auseinandersetzungen, wissenschaftlich begründeten Warnun-gen und Entwarnungen. Die wichtigsten Bewegungen und Ereignisseder folgenden Monate sollen hier kurz aufgezeigt werden.Bereits am Tag der Anmeldung der Initiative durch den Fürstenund den Erbprinzen legten 28 Bürgerinnen und Bürger bei der Regie-rung eine Abstimmungsbeschwerde gegen diese Volksinitiative ein, imweiteren Instanzenzug auch bei der Verwaltungsbeschwerdeinstanz undbeim Staatsgerichtshof.67 Hauptargumente waren die Frage der Legiti-mation (Fürst als Initiant), die sachfremde Verknüpfung des Wohnsitzes117Volksinitiativen67 Diverse Bürgerinnen und Bürger 2002a, 2002b, 2002c.
des Fürstenhauses mit der Verfassungsvorlage (Verletzung der Abstim-mungsfreiheit) sowie die Fragen nach der Konformität mit geltendenStaatsverträgen (Unzulässigkeit der Initiative). Die Beschwerde wurdein allen Instanzen abgewiesen.68 Die Zweifel, ob der Fürst legitimiert sei,das Instrument der Volksinitiative zu ergreifen, um seine Anliegendurchzusetzen, wurden von den Gerichtsinstanzen nicht beseitigt, da siesich nicht ausdrücklich dazu äusserten. Sie stellten indes fest, dass min-destens dem Erbprinzen dieses Bürgerrecht zustehe, sodass die Initia tivezulässig sei. Die Fürsteninitiative nahm jedenfalls die Hürde der formel-len und materiellen Prüfung durch Regierung und Landtag und wurdeauch durch die Beschwerden nicht gestoppt.Im September 2002 gelangten 53 Liechtensteinerinnen und Liech-tensteiner mit dem Ersuchen an den Europarat, die Vereinbarkeit derFürstenvorlage mit den Grundsätzen des Europarates zu prüfen.69 DerEuroparat beauftragte die Europäische Kommission für Demokratiedurch Recht – die sogenannte Venedig-Kommission – damit. Diese ge-langte in einem Bericht Mitte Dezember 2002 zum Schluss, dass dieFürsteninitiative mit den demokratischen Prinzipien des Europaratesnicht vereinbar sei.70 Ähnlich kritisch äusserten sich der Rapporteur derpolitischen Abteilung des Europarates im Januar 2003 sowie zwei Be-richterstatter des Monitoring Komitees des Europarates im August2003.71 Auch über das Abstimmungsdatum hinaus befasste sich der Europarat weiter mit dem Fall Liechtenstein, indem ein sogenanntesDialogverfahren eröffnet wurde. Ausser weiteren kritischen Notizen zuden Demokratiedefiziten Liechtensteins blieben die Aktion allerdingsfolgenlos.72Die kritische Haltung vieler Bürgerinnen und Bürger zu den Än-derungsvorschlägen des Fürstenhauses wurde durch die weiter oben erwähnten verfassungsrechtlichen Gutachten, welche im Auftrag derRegierung erstellt worden waren, untermauert. In Liechtenstein selbst118Der Verfassungskonflikt in Liechtenstein68 VBI 2002 / 96 vom 12. November 2002; StGH 2002 / 73 vom 3. Februar 2003. 69 Demokratie-Sekretariat 2002.70 Council of Europe 2002a, 2002b.71 Lord Kilclooney, Council of Europe 2003a; Michael Hancock und Erik Jurgens,Council of Europe 2003b.72 Council of Europe 2006.
wurden viele kritische Stimmen laut, die an Veranstaltungen und in denZeitungen öffentlich zu vernehmen waren. Beachtung fand auch einekritische Analyse eines Autorenteams um Gerard Batliner, welche unterdem Titel «Memorandum» erschienen war (Batliner u. a. 2002). Weiterekritische Beiträge befassten sich mit der verfassungsrechtlich weitgehendungeklärten Frage des Status des Hausgesetzes (Kühne 2002; Marxer2003a).Auf der anderen Seite erhielt die Vorlage des Fürstenhauses Unter-stützung durch die von ihm selbst bestellten Gutachter (siehe weiteroben). Auf die umfangreiche mediale Berichterstattung, das bürger-schaftliche Engagement in Form von Leserbriefen und organisierten Be-wegungen für und wider die Verfassungsvorlage wird weiter unten nochausführlich eingegangen. An dieser Stelle genügt der Hinweis, dass einenorm hoher Werbeaufwand betrieben wurde, welcher allenfalls nochmit der EWR-Abstimmung von 1992 vergleichbar ist.Am 21. Oktober 2002 meldeten 202 Personen eine Volksinitiativean, die einen Alternativentwurf zur Fürsteninitiative darstellen sollte,was dem euphemistischen Titel «Initiative für Verfassungsfrieden» aller-dings nicht zu entnehmen ist. Tatsächlich zielte diese Initiative auf dieVerwirklichung der Volkssouveränität und damit auf eine Demokratisie-rung des politischen Systems Liechtensteins ab. Massgeblich war dabeidie Abänderung von Art. 9 LV betreffend das Sanktionsrecht: Nach denVorstellungen der Initiative für Verfassungsfrieden hätte der Landtag imFalle einer Sanktionsverweigerung des Fürsten eine Volksabstimmungdurchführen lassen können, nach welcher keine Sanktion des Fürstenmehr erforderlich gewesen wäre. Bei Volksabstimmungen aufgrund vonInitiativen und Referenden wäre eine Sanktion von vornherein obsoletgeworden. Weitere Verfassungsartikel, die geändert werden sollten, be-trafen das Notverordnungsrecht, die Richterbestellung und den Staats-gerichtshof.Der Landesfürst verstand die Initiative für Verfassungsfrieden kei-neswegs als Friedensangebot, sondern als Kampfansage gegen die mo-narchische Macht im Staat. Kraft seiner bestehenden Sanktionsgewalt imGesetzgebungsverfahren konnte er diese Initiative überzeugend als«Totgeburt» charakterisieren. Er kündigte an, sie im Falle mehrheitlicherZustimmung nicht zu sanktionieren. Gegen die Initiative für Verfas-sungsfrieden wurden im Übrigen keine Beschwerden erhoben, Regie-rung und Landtag liessen die Anmeldung der Initiative zu.119Volksinitiativen
Es waren somit zwei Initiativen lanciert: die Fürsteninitiative unddie Initiative für Verfassungsfrieden. Mitte Dezember 2002 wurden dieUnterschriften für beide Initiativen abgegeben. Die Fürsteninitiative er-reichte mit 6242 Unterschriften die höchste Zahl an Unterschriften, wel-che jemals bei einer Volksinitiative registriert worden war. Aber auch dieInitiative für Verfassungsfrieden übertraf das notwendige Quorum von1500 mit 2206 Unterschriften deutlich.In der Landtagssitzung vom 18. Dezember 2002 wurde über beideeingereichten Initiativen debattiert. Falls der Landtag einer Initiative zu-gestimmt hätte, hätte sie dem Volk nicht mehr notwendigerweise zurAbstimmung vorgelegt werden müssen. In den vorliegenden Fällen er-reichten die beiden Initiativen jedoch die für Verfassungsänderungen nö-tige Dreiviertel-Mehrheit beziehungsweise Einstimmigkeit nicht, sodasseine Volksabstimmung durchzuführen war. Für die Initiative des Fürs-tenhauses votierten die 13 Stimmen der FBP-Abgeordneten, für dieInitia tive für Verfassungsfrieden sechs Abgeordnete, die sich aus denMandataren der FL und einzelnen VU-Abgeordneten zusammensetz-ten. Die Regierung legte den Abstimmungstermin auf den 14. / 16. März2003 fest.120Der Verfassungskonflikt in Liechtenstein
5 Struktur und Dynamik öffentlicher Kommunikation im Abstimmungsprozess:2000 bis 2003Volksabstimmungen sind Hochzeiten politischer Kommunikation. Dasgilt gerade für konfliktträchtige Sachthemen mit hoher Mobilisierungs-wirkung. Sie führen annahmengemäss nicht nur zu einem lawinenartiganwachsenden Angebot frei zugänglicher Information über den Ent-scheidungsgegenstand, sondern auch zu intensivierter Nutzung der viel-fältigen Informationsquellen auf Seiten der Stimmbürger. Dieser die Öf-fentlichkeit belebende Effekt liess sich auch bei der Abstimmung überdie Verfassungsänderung in Liechtenstein beobachten, wie die Ergeb-nisse der Nachwahlbefragung belegen (Tab. 11).Die höchste Inklusivität weist dabei erwartungsgemäss die Me-dienöffentlichkeit auf. Bemerkenswert ist nicht zuletzt der hohe Beach-tungsgrad, den die in den Zeitungen ausgetragene Inseratenkampagnegeniesst. Auch die Bedeutung der Leserbriefkommunikation, die sie so-wohl der grundsätzlichen Parteilichkeit der Zeitungen als auch der sozialen Nähe im Kleinstaat verdankt, wird durch die Zahlen treffendabgebildet. Die theoretisch erwartbare Verdichtung interpersonalerKommunikation in kleinstaatlichen Verhältnissen lässt sich ebenfallseindrucksvoll belegen: mehr als die Hälfte aller Befragten geben an, vieloder sehr viel mit anderen über das Abstimmungsthema gesprochen zuhaben. Demgegenüber scheint die Reichweite der Versammlungskom-munikation auf den kleinen Bereich der «aktiven Öffentlichkeit» be-schränkt. Sie weisen im Vergleich aller Informationsmöglichkeiten (ne-ben Internet und Auslandspresse) den geringsten Stellenwert für dieStimmbürger auf. Dabei ist zu bedenken, dass in der Umfrage nach derNutzung von Informationsmöglichkeiten während des eigentlichenAbstimmungskampfes gefragt wurde. Die Masse der Informationsver-anstaltungen wurde aber in der frühen Phase der Verfassungsauseinan-dersetzung angeboten. Diese waren durchwegs gut besucht, sodass dietatsächliche Reichweite von Versammlungsöffentlichkeit durch die121
Zahlen in der Tabelle unterschätzt werden dürfte. In den folgenden Ab-schnitten geht es darum, die Strukturen, Inhalte und Entwicklungsdy-namiken öffentlicher Kommunikation in den unterschiedlichen Arenendemokratischer Öffentlichkeit darzustellen und aufeinander beziehbarzu machen. Wir starten dabei mit einer auf Beobachtung basierendenAnalyse der strategischen Kommunikationsziele und -muster der Ak-teure, blicken dann auf die Inhalte der Pressekommunikation (ein-schliesslich der in den Zeitungen ausgetragenen Inseratekampagnen)und behandeln schliesslich Versammlungs- und Gesprächsöffentlich-keiten.5.1 Akteure, Frames und KommunikationsstrategienDie empirisch-deskriptive Analyse dieses Kapitels basiert auf systema ti-scher, teilnehmender Beobachtung, unzähligen Gesprächen mit Beteilig-ten und Betroffenen sowie auf der qualitativen Auswertung einschlägi-122Öffentliche Kommunikation im AbstimmungsprozessTabelle 11: Nutzung von Informationsquellen in der Verfassungs-auseinandersetzung (Mittelwerte; N = 796 bis 799)Informationsquelle Mittelwert Starke Nutzer (%) Artikel in den Landeszeitungen 3.7 61.6Persönliche Gespräche 3.4 53.5Leserbriefe 3.0 40.2Inserate in den Zeitungen 2.9 36.8Abstimmungsinformation der Regierung 2.7 30.0Radiosendungen 2.7 26.7Abstimmungswerbung im Briefkasten 2.7 29.6Strassenplakate 2.5 23.7Fernsehsendungen 2.3 18.1Artikel in ausländischen Zeitungen 2.0 10.8Informationsveranstaltungen 1.9 16.7Informationen im Internet 1.5 8.2Quelle: Abstimmungsumfrage (N = 800)Legende: Skalenwerte 1 = nicht genutzt, 5 = sehr viel benutzt. Starke Nutzer mit Skalenwerten 4 (viel) und 5 (sehr viel).
ger Materialien und Dokumente. Ihr Ziel ist es, die Advocacy-Koalitio-nen der Verfassungsdiskussion und ihre Kommunikationsstrategien ein-leitend herauszuarbeiten. Wir beschränken uns dabei auf die in dieserStudie im Wesentlichen beobachtete Periode seit dem Jahr 2000. Deroben entwickelten Begrifflichkeit entsprechend, richtet sich das Haupt-augenmerk auf die Fragen, welche Sprecher mit welchen Realitäts- undThemendeutungen (Frames) in welcher Phase des Prozesses in welchenÖffentlichkeitsforen aufgetreten sind.Wie oben dargelegt, war spätestens in den Jahren 1998 / 1999 deut-lich geworden, dass zwischen den Verfassungsvorstellungen der Land-tagskommission und denjenigen des Fürstenhauses unüberbrückbareDifferenzen bestanden. Zu der Zeit hatte der Landesfürst bereits signa-lisiert, dass kein Verhandlungsspielraum mehr bestehe und notfalls dasVolk entscheiden müsse. Am 16. Februar 2000 wurde mit dem Versanddes «roten Büchleins» an alle Haushaltungen ein erster Schritt in dieseRichtung unternommen. Gleichzeitig wurde auf der Website des Fürs-tenhauses ein Diskussionsforum eingerichtet und die Bevölkerungwurde zu Diskussionsveranstaltungen auf Schloss Vaduz eingeladen.70Das Signal war klar: Das Fürstenhaus kann direkt mit dem Volk einenWeg aus der Krise finden und die vormals als Oligarchie titulierten Re-präsentativorgane Regierung und Landtag übergehen. Damit wurdenicht nur Volksnähe hergestellt, sondern gleichzeitig wurde auch die po-litische Elite unter Druck gesetzt.Die Verfassungskommission reagierte, indem sie die eigenen Ver-fassungsvorschläge vom 29. Juni 1998 (sogenannte «Non Papers»), diedem Fürsten mit Begleitschreiben vom 1. Juli 1998 zugestellt wordenwaren, ebenfalls der Öffentlichkeit zugänglich machte.71 Alle Parteienwurden zudem mit Veranstaltungen aktiv, die FBP und die VU organi-123Akteure, Frames und Kommunikationsstrategien70 Die Teilnahme auf der Website war mit 45 Beiträgen bis Mitte Oktober – die meis-ten davon im März 2000 – nicht sehr intensiv. An den sechs Veranstaltungen aufSchloss Vaduz im März und April mit jeweils limitierter Teilnehmerzahl, wobei Vor-anmeldung erforderlich war, nahmen nach Angaben des Fürstenhauses in einemBrief vom Juli 2000 an die Bevölkerung «gegen 600 Frauen und Männer» teil.71 Eine übersichtliche Darstellung der bestehenden Verfassung, der Vorschläge desFürstenhauses und der Vorstellungen der Verfassungskommission erfolgte auf einerZeitungs-Doppelseite (Liechtensteiner Vaterland und Liechtnsteiner Volksblatt, 30. März 2000). Die Unterlagen konnten ausserdem beim Landtagssekretariat undder Regierungskanzlei bezogen werden.
sierten im März und April 2000 separat Ortsgruppenversammlungen inden einzelnen Gemeinden.Anfang Juli 2000 richtete das Fürstenhaus den zweiten Brief inner-halb eines Jahres an alle Haushalte. Darin wurde begründet, dass die Ver-fassungsvorschläge des Fürstenhauses keinen Machtzuwachs des Fürs-ten bedeuteten, sondern das Gegenteil der Fall sei. Es wurde auch mit-geteilt, dass nach der Landtagswahl von 2001 mit dem neuen Landtagund der neuen Regierung nochmals Verhandlungen geführt werden soll-ten, um erst danach allenfalls das Volk einzuschalten. Der Druck auf dieParteien im Vorfeld der Landtagswahlen war damit weiter angewachsen.Es war klar, dass mit der bestehenden personellen und fraktionellen Zu-sammensetzung des Landtages und mit den Vertretern der VU-Allein -regierung unter Regierungschef Frick keine Einigung erzielt werdenkonnte. Da die Vergangenheit gelehrt hatte, dass Parteien, die im offenenKonflikt mit dem Fürsten stehen, bei den Wahlen Einbussen in Kaufnehmen müssen, war die Vorwahlphase besonders belastet.Der Auftakt des Wahlkampfes mit der Nomination der Regie-rungsmitglieder sowie Landtagskandidaten war jedoch keineswegs ge-prägt von der Verfassungsdiskussion. In den Wahlprogrammen der Par-teien wurde unterschiedlich auf den Konflikt reagiert. Die FL lehnte dieVerfassungsvorschläge des Fürstenhauses rundweg ab und favorisiertestattdessen eine repräsentative Monarchie.72 Die FBP bekannte sich inallgemeinen Formulierungen zum in der Verfassung verankerten Zusam-menwirken von Fürst und Volk und warb damit, dass sie in der Mehr-heitsverantwortung «ein Klima des Vertrauens, der Sicherheit und desinneren Friedens» schaffen wolle. Verfassungsänderungen müssten im«vertrauensvollen Zusammenwirken von Landesfürst, Landtag und Re-gierung erarbeitet werden». Eine Schwächung der Rechte des Volkes unddessen parlamentarische Vertretung befürworte die Partei nicht.73 DieVU reagierte im Wahlprogramm ähnlich wie die FBP: die Verfassungs-diskussion solle in engem Zusammenwirken zwischen dem Landesfürs-ten, der Regierung und dem Landtag fortgesetzt werden, Verfassungsän-derungen, welche die Demokratie, insbesondere die Rechte des Landta-ges als Volksvertretung, schwächen, könne die VU nicht befürworten,124Öffentliche Kommunikation im Abstimmungsprozess72 Freie Liste Info 4 / 2000, 6–7.73 FBP, Wahlprogramm 2001, Vaduz, 7.
und die Verfassung dürfe in den Grundzügen nur im Konsens aller poli-tischen Kräfte und in Übereinstimmung mit dem Willen der Bürgerin-nen und Bürger abgeändert werden.74 Angesichts der Bedeutung desThemas waren dies eher undeutliche Stellungnahmen in der Sache. Offensichtlich empfanden beiden Volksparteien die Verfassungs-frage als gefährlich, weil sie davon ausgehen mussten, dass die jeweiligeWählerbasis diesbezüglich keineswegs einheitlich gepolt war. In denOrtsgruppenversammlungen im März / April 2000 war dies nur allzudeutlich geworden. Die VU als Partei mit der absoluten Mehrheit imLandtag und alleinige Partei mit Regierungsmacht konnte die Verfas-sungsthematik im Wahlkampf weniger gut verstecken als die FBP. Zu exponiert hatten sich auch Vertreter der VU in Regierung und Landtaggegen die Vorstellungen des Fürsten zur Wehr gesetzt.75In der Vorwahlzeit verabschiedeten sich die beiden Volksparteienmehr oder weniger aus der öffentlichen Diskussion über die Verfas-sungsproblematik. Stattdessen traten andere Akteure in Erscheinung, dieallesamt eine kritisch-ablehnende Haltung zu den Vorschlägen des Fürs-tenhauses vertraten. In diesen Organisationen («Arbeitskreis Demokra-tie und Monarchie», «Frauen in guter Verfassung», «Gruppe WilhelmBeck»)76 wirkten auch Vertreter und Vertreterinnen aus dem Umfeld derVU und der FBP mit, ohne damit aber die Partei als Ganzes zu belasten.125Akteure, Frames und Kommunikationsstrategien74 VU, Wahlprogramm 2001, Vaduz, ohne Seitenangabe.75 Die kritische Haltung von Regierungschef Mario Frick dürfte bekannt gewesensein, auch wenn das Feld weitgehend dem für Verfassungsänderungen primär zu-ständigen Landtag überlassen wurde. Dort waren insbesondere der Kommissions-vorsitzende Peter Wolff und Peter Sprenger als Vertreter der VU öffentlich deutlichwahrnehmbare Gegner der fürstlichen Vorschläge.76 Der Arbeitskreis Demokratie und Monarchie formierte sich im März 2000 zunächstunter dem Namen «Überparteiliches Forum Demokratie und Monarchie» und tratnach einem Gedankenaustausch am 13. März mit einer Resolution zur Verteidigungder demokratischen Errungenschaften der Verfassung von 1921, die von 23 Per so-nen unterzeichnet wurde, an die Öffentlichkeit (Liechtensteiner Volksblatt, 16. März 2000) . Er wurde am 5. Oktober 2001 (dem Jahrestag der Verfassung von1921) in «Arbeitskreis Demokratie und Monarchie (überparteilicher Verein)» um-benannt, um Verwechslungen mit dem Forum Liechtenstein zu vermeiden (Liech-tensteiner Volksblatt, 13. Oktober 2001). Die Gruppierung «Frauen in guter Verfas-sung» setzte sich aus engagierten Frauen ohne formalisierte Vereinsstruktur zusam-men. Die Gruppe «Wilhelm Beck» bildete sich im April 2000 und beschloss am 11. Mai 2000 die Gründung eines Vereins unter diesem Namen (LiechtensteinerVolksblatt, 18. April 2000 und 13. Mai 2000).
Die letzte Landtagssitzung der laufenden Mandatsperiode am 13. De-zember 2000, an welcher die Verfassungskommission ihren Bericht vor-stellte, löste nur eine kurze Debatte aus. Die beiden Grossparteien ver-folgten im Wahlkampf eine Strategie der De-Thematisierung und Pro-blemvermeidung, die Befürworter der fürstlichen Verfassungsvorschlägebeteiligten sich überhaupt nicht an der Diskussion, während die Gegner– weitgehend erfolglos – eine Thematisierungsstrategie versuchten.Die Wahlen am 9. / 11. Februar 2001 endeten mit einer Niederlageder VU und der FL, die zwei von dreizehn beziehungsweise ein vonzwei Mandaten einbüssten, und einem Sieg der FBP, die von zehn aufdreizehn Mandate anwuchs und damit die absolute Mehrheit errang. Inder Folge trat die VU den Gang in die Opposition an, womit die FBP alsNachfolgerin der VU eine Alleinregierung führte. Der Regierungschef-Kandidat und nunmehrige Regierungschef Otmar Hasler hatte sich alsMitglied der Verfassungskommission öffentlich kaum sichtbar in derVerfassungsfrage positioniert, der designierte Landtagspräsident KlausWanger trat als Kandidat an, der wieder Vertrauen zwischen den Volks-vertretern und dem Fürstenhaus schaffen und damit eine Lösung aus derverfahrenen Situation finden wollte, wobei er betonte, dass die Lösungdes Verfassungskonflikts die bedeutendste innenpolitische Aufgabe dar-stelle.77 Unter dem FBP-Wahlslogan «Konzentration der Kräfte» solltenicht nur die VU-Alleinregierung zugunsten einer Koalitionsregierungabgelöst, sondern auch der schädliche Dauerkonflikt zwischen den Ver-fassungsorganen beendet werden. Nachdem die VU in der Regierungs-zeit von 1997 bis 2001 in der Verfassungsfrage inhaltlich klar gegen dieVorschläge des Fürstenhauses Position bezogen hatte, wurde von Seitender FBP der Öffentlichkeit kommuniziert, dass es sich vornehmlich umeine atmosphärische Störung zwischen den involvierten Staatsorganenhandle, da das Vertrauen nicht mehr vorhanden sei. Damit war die Verfassungsfrage erstmals explizit zur Vertrauensfrage umdefiniert, einFram ing, das für die gesamte spätere Kampagnenkommunikation derBefürworterseite prägend wurde. Aus der Logik dieses Konzeptesfolgte, dass das Vertrauen wieder herzustellen sei, Gespräche geführtund sodann einvernehmliche Lösungen in der Verfassungsfrage gefun-126Öffentliche Kommunikation im Abstimmungsprozess77 Stellvertretend für weitere Beiträge siehe Interview mit Klaus Wanger im Liechten-steiner Volksblatt, 18. Januar 2001.