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rungen derer bestimmt, die im öffentlichen Kommunikationsraum fak-tisch zu sprechen in der Lage sind. Folglich wird öffentliche Meinungnicht in jedem Fall die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung repräsentie-ren. «Öffentlich» wird Meinung dadurch, dass sie in dem Kommuni -kationsraum entsteht, den man als politische Öffentlichkeit bezeichnetund nach Austausch aller Informationen und wichtigen Argumente indiesem Kontext mit Zustimmung rechnen kann. Dann allerdings «be-herrscht» sie die Öffentlichkeit in dem Sinne, dass abweichende Positio-nen mit ernsthaftem Widerspruch und besonderem Rechtfertigungs-zwang rechnen müssen. Im Hinblick auf die Funktionsbestimmungenpolitischer Öffentlichkeit ergibt sich aus dem Gesagten (vgl. Neidhardt1994, 8 f.):Öffentlichkeit fungiert als Sammelstelle für (möglichst) alle poli-tisch relevanten Informationen. Sie erfüllt eine Transparenzfunktion,oder – in der Sprache der Systemtheorie – sie macht die Gesellschaft fürPolitik (und andere) beobachtbar.Die Öffentlichkeit hat eine Validierungsfunktion für Themen undArgumente, wenn die Sprecher nicht nur aneinander vorbei reden.Öffentliche Meinung bietet Orientierung, wenn sie aufgrund ihrerÜberzeugungskraft im politischen Prozess Wirkung hinterlässt.Dieser selektive Streifzug durch die öffentlichkeitsbezogene Be-griffs- und Theorielandschaft erlaubt es nunmehr, das analytische In-strumentarium für die eigenen Forschungen zu schärfen.Forschungspraktische KonsequenzenZunächst sprechen viele Argumente dafür, Öffentlichkeit im Einklangmit den referierten Autoren als etwas ausserhalb der grossen Funktions-systeme der Gesellschaft (Politik, Wirtschaft, Recht, Publizistik u. a.) Liegendes zu begreifen.10 Sie ist kein Teil der Politik und auch nicht identisch mit dem System der Massenmedien, obwohl beide an ihr mit-wirken. Öffentlichkeit liegt gewissermassen «quer» zu den Funktions -be reichen moderner Gesellschaften, weil sich in ihr verschiedene Systemlogiken treffen und vermischen, unter anderem die Rechtferti-27Öffentlichkeitstheoretische Grund lagen10 Der Text dieses Abschnitts folgt Marcinkowski 2001. |
gungszwänge der Politik, die auf Aktualität und Neuigkeit fixierte In-formationsproduktion der Massenmedien, die appellativ-werbendeKommunikationsweise der Wirtschaft und (eher selten) die argumenta-tiv-verständigungsorientierte Kommunikation zivilgesellschaftlicherAkteure. Aufgrund dieser «Sprachverwirrung» sind nicht nur die Hoff-nungen auf namhafte Verständigungsleistungen von Öffentlichkeit eherskeptisch zu beurteilen, sie spricht auch gegen Versuche, Öffentlichkeitals eigenes Funktionssystem der Gesellschaft auszuzeichnen. Dagegenspricht auch die thematische Ausdehnung der Kommunikation sowiedie Unbestimmbarkeit ihrer Grenzen. Öffentlichkeit kann prinzipiell al-les zum Thema machen, worüber sowohl in der flüchtigen Begegnungals auch im Kontext von Veranstaltungen und in den Massenmedien mitAussicht auf Aufmerksamkeit kommuniziert werden kann. In der Kon-sequenz dieser Überlegungen liegt es, allgemeine Öffentlichkeit und po-litische Öffentlichkeit zu unterscheiden. In den unterschiedlichen Zonenfrei zugänglicher Kommunikation wird unendlich vieles besprochen,und Themen von allgemeinem Belang bilden ganz sicher nur einen klei-nen Teil davon. Das gilt für Gespräche ebenso wie für Veranstaltungenund erst recht für die Kommunikation der Massenmedien. Politisch wirdÖffentlichkeit nur in den Momenten und Foren, wo über Angelegenhei-ten von kollektivem Interesse verhandelt wird. Ob und in welchem Aus-mass das der Fall ist, hängt von den Strukturbedingungen des öffent -lichen Kommunikationsraums und von den Beiträgern selbst ab.Abbildung 1 versucht, die zentralen Begriffe in einen systemati-schen Zusammenhang zu bringen. Sie unterscheidet zunächst zwischenStrukturen (vertikale Dimension) und Prozess (horizontale Dimension),sowie innerhalb der Dimensionen zwischen öffentlicher und nicht-öffentlicher Kommunikation in prozessualer Hinsicht und zwischen po-litischen Institutionen und gesellschaftlichen Kommunikationsräumenin struktureller Hinsicht.Politische Kommunikation ist begrifflich für die operative Dimen-sion des Politischen zu reservieren. Sie ist im Einklang mit dem durch-aus plausiblen Alltagsverständnis des Begriffs überall dort anzutreffen,wo sich Menschen über öffentliche Angelegenheiten austauschen. Dasist naheliegenderweise im gesamten (zugänglichen wie verschlossenen)Bereich des politischen Systems der Fall, aber auch in grossen Teilen des-sen, was man als System der Öffentlichkeit bezeichnen kann. PolitischeKommunikation tritt also einerseits als öffentliche Kommunikation über28Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und Demokratie |
Politik auf. Davon wäre dann andererseits das zu unterscheiden, wasLuhmann (2000, 290) als «heimliche Interaktionen» bezeichnet hat, diein der Politik wie anderswo natürlich gang und gäbe sind (Vier-Augen-Gespräche zwischen Staatsmännern, der Bundesvorsitzende der Regie-rungspartei am Telefon, nicht öffentliche Sitzungen aller möglichen Gre-mien usw.), und die häufig aktenförmige Kommunikation innerhalb undzwischen Organisationen, deren Zugänglichkeit einerseits über Mit-gliedschaftsregeln und organisationsintern meist über Hierarchie gere-gelt ist. Öffentlichkeit beschreibt die strukturellen Voraussetzungen öffentlicher Kommunikation, genauer die lose Kopplung prinzipiell zu-gänglicher Foren offener Kommunikation als Mehrebenensystem. InAbbildung 1 sind die Trennlinien zwischen den Schichten gestrichelt ge-zeichnet, um anzudeuten, dass die einzelnen Ebenen füreinander durch-lässig sind. Denn über das in einer Veranstaltung oder im Fernsehen Gehörte kann im Gespräch weiter diskutiert werden, politische Veran-staltungen werden aufgezeichnet und im Radio ausgesendet usw. Auchinstitutionelle Arenen des Politischen, etwa die oben angesprochenen29Öffentlichkeitstheoretische Grund lagenQuelle: nach Marcinkowski 2001, 246Abbildung 1: Zusammenhang der Begriffe Öffentlichkeit, politischeKommunikation und öffentliche KommunikationPolitische KommunikationProzessPolityStrukturHeimlicheKommunikationArkanbereichedes politischenSystemsVersammlungs-öffentlichkeitMedien-öffentlichkeitBegegnungs-öffentlichkeitÖffentlichkeitÖffentlicheMeinungÖffentlicheKommunikationStruktur |
parlamentarischen Gremien, können fallweise zu Teilen des Öffentlich-keitssystems (in dem Fall: der Versammlungs- oder Medienöffentlich-keit) werden. Insoweit ist Öffentlichkeit von den Arkanbereichen despolitischen Systems zu unterscheiden, nicht aber generell von den insti-tutionellen Strukturen der Politik.11 Politische Öffentlichkeit entsteht im Moment der Durchdringung der Öffentlichkeitsstruktur durch denpolitischen Kommunikationsprozess und ist definiert als Mehrebenen-system frei zugänglicher Kommunikation,12 die auf die Herstellung,Durchsetzung und Begründung kollektiv verbindlicher Entscheidungenbezogen ist. Im Schnittpunkt von politischer Kommunikation und poli-tischer Öffentlichkeit entsteht insoweit öffentliche Meinung.Öffentliche Meinung, darin besteht weithin Einigkeit, ist das Me-dium, das von der Öffentlichkeit erzeugt und verwendet wird. WährendLuhmann aber die Leistung von Themen betont, geht es bei anderen Autoren im Kern um die Herausbildung vernünftiger oder wenigstens«vorherrschender» Ansichten des Richtigen. Ob sich die politische Re-sonanz öffentlicher Meinung tatsächlich in Themenvorgaben erschöpftoder ob von ihr nicht auch weitergehende Bindungen politischen Ent-scheidens ausgehen, ist eine empirisch zu klärende Frage. Sie schien allerdings beim «frühen» Luhmann mit der scharfen Unterscheidungzwischen der Wahl eines Themas und der Artikulation von Meinungenüber dieses Thema theoretisch vorentschieden. Die Auflösung dieserDifferenz konnte er sich seinerzeit nur als «manipulative Moralisierung»vorstellen, wodurch Kommunikation unbeantwortbar und öffentlicheMeinung insoweit ihrer komplexitätsrezudierenden Funktion beraubtwerde (vgl. Luhmann 1970a, 7). Mit dem Einbau des Schemabegriffsführt die «Politik der Gesellschaft» (Luhmann 2000) hier einen wich -tigen Schritt weiter, gerade im Hinblick auf die Agenda-Setting-Per-spektive. Denn er macht sichtbar, dass öffentliche Meinung nicht ledig-lich «nackte» Sinnkomplexe fokussiert und Meinungen dazu zulässt,sondern dass ihre eigentliche Leistung in der Herausbildung und Verfes-30Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und Demokratie11 Die Grenzen zwischen Öffentlichkeit und den arcana imperii mögen ausnahmswei-se durchlässig sein, etwa für gezielte Indiskretion oder illegale Informationsbeschaf-fung und Veröffentlichung. Die strikte Trennung der Bereiche in Abbildung 1 spie-gelt insoweit den Normalfall wider, der durch solche Ausnahmen bestätigt wird.12 «Frei zugänglich» wird dabei als prinzipielle Offenheit verstanden, was faktische Se-lektivität keineswegs ausschliesst (vgl. dazu Marcinkowski 2001, 245–246). |
tigung von Schemata zu sehen ist (vgl. Luhmann 2000, 298–303). Sche-mata wie «Problem», «Krise», «Reform», versehen den thematisiertenSachverhalt mit zusätzlichen Attributen, etwa Kausalannahmen, die be-schreiben, wer oder was einen Sachverhalt verursacht hat, Annahmenüber denkbare Folgen oder der Bezeichnung von Handlungsmöglich-keiten. Unterstützt wird diese Sichtweise von einer weit verzweigtenFraming-Forschung, die ähnlich wie der Agenda-Setting-Ansatz als eininterdisziplinäres Forschungsprogramm begriffen werden kann (vgl.Entman 1993; Marcinkowski 2002c). Sie interessiert sich für die Selek -tion, Exklusion und Betonung spezifischer Themeneigenschaften, durchdie der sachliche Gehalt des Themas kontextualisiert oder gerahmt wird.Ein substantieller politischer Frame entsteht danach durch selektive Ak-zentuierung mehrerer Themenkomponenten: ein gesellschaftlicher Sach-verhalt wird als veränderungswürdige Belastung etikettiert und damit alspolitisches Problem identifiziert (typischerweise unter Bezug auf allge-mein geteilte kulturelle Werte), darüber hinaus wird eine Vermutungüber mögliche Ursachen und / oder Verursacher des Problems angebotenund schliesslich werden Massnahmen zur Beseitigung oder Linderungdes Missstandes vorgeschlagen und Forderungsadressaten benannt (Ent-man 2004). In alternativer Lesart firmieren entsprechende Ansätze alsSecond Level Agenda Setting, ein Begriff, der von den Pionieren derkommunikationswissenschaftlichen Agenda-Forschung propagiert wird(vgl. Weaver u. a. 1998; McCombs 2000; McCombs / Ghanem 2003). Inder Konsequenz beider Sichtweisen wäre die theoretische Bedeutung derUnterscheidung von Thema und Meinung zu relativieren. Die Ansich-ten, Positionen und Kommentare zu einem Sachverhalt, die üblicher-weise im Begriff der Meinung zusammengezogen werden, scheinenexakt im Bereich dessen zu liegen, was heute als Dimensionen eines the-matischen Frames erkennbar ist. Abweichende «Meinungen» treten in-soweit in der Form alternativer Frames (Counter Frames) zum gleichenThema auf. In dem Masse, wie der Prozess öffentlicher Meinungsbil-dung zur Festigung spezifischer Frames der Thematisierung führt, leis-tet er aber mehr als die blosse Auswahl von Entscheidungsproblemenfür politische Weiterbehandlung. Denn was ein Thema für staatlichesHandeln praktisch bedeutet, ist in seiner Ausdeutung bereits angelegt,weil etwa die Art und Weise, wie man ein Problem angeht, im Normal-fall nicht unabhängig davon ist, was man als dessen Ursache voraussetzt.Die politische Entscheidung ist durch das Problemdeutungsschema31Öffentlichkeitstheoretische Grund lagen |
zwar nicht bestimmt, «aber sie gewinnt an Führung» (Luhmann 2000,153). Konsequenterweise sollte man davon ausgehen, dass die «öffent -liche Meinung» nicht in der Themenstruktur, sondern in der Strukturdominierender Deutungsmuster zu sehen ist. Durch sie werden die Ent-scheidungsspielräume des politischen Systems (bzw. des Entscheidungs-trägers) nicht nur thematisch, sondern auch inhaltlich eingeengt.Mit Hilfe der so verstandenen öffentlichkeitstheoretischen Kon-zepte kann nun genauer definiert werden, welche Fragen und Aufgabenim Kontext von Forschungen der hier anvisierten Art zu bearbeiten sind.Öffentliche Meinungsbildung beschreibt den Prozess der Konsti-tution öffentlicher Meinung im und durch das KommunikationssystemÖffentlichkeit. Struktur, Inhalt und Qualität öffentlicher Meinungsbil-dung «hängt wesentlich von der Organisation und der Funktionsweiseder Öffentlichkeit ab» (Kriesi 1994, 235). Das gilt insbesondere für diespezifische Mischung von verständigungsorientierter Kommunikation,die durch den «zwanglosen Zwang» des besseren Arguments zu über-zeugen sucht, und instrumentellen Kommunikationen, die öffentlicheMeinung im Sinne partikularer Interessen zu prägen trachten,13 die sich32Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und Demokratie13 Dabei ist im Sinne des Framingparadigmas davon auszugehen, dass öffentliche Mei-nung nicht in der Weise «gemacht» wird, dass man den Menschen direkt beizubrin-gen versucht, was sie meinen sollen. Es geht vielmehr darum, Aufmerksamkeit inRichtung auf spezifische Sachverhalte zu kanalisieren: durch (Über-)Betonung bzw.Vermeidung von Themenaspekten, durch stete Wiederholung von Kausalannahmen,Abbildung 2: Prozessmodell zum Zusammenhang von Öffentlichkeit und BevölkerungsmeinungÖffentliche MeinungsbildungIndividuelle MeinungsbildungAggregations-verfahrenStrukturen derÖffentlichkeitBevöl -kerungs-meinungPersön -liche MeinungThemenstruktur und Deutungs-muster öffent -licher Kommu-nikationInputPrädis-positio-nenWahlenAbstim-mungenUm fragen} } } |
in der Öffentlichkeit wiederfinden. Öffentliche Meinungsbildung ist in-soweit vor allem daraufhin zu beobachten:– welche Akteure aufgrund welcher Ressourcen in welchen Forender Öffentlichkeit zu Wort kommen,– ob und wie die unterschiedlichen Foren miteinander vernetzt sind,– welchen (möglicherweise dominierenden) Einfluss insbesondereMedienöffentlichkeit auf Versammlungs- und Begegnungsöffent-lichkeiten ausübt,– welchen normativen Anforderungen (bezüglich Offenheit, Diskur-sivität, Verständigungsorientierung) Öffentlichkeit gerecht wirdoder nicht,– welchen Themenzuschnitt und welchen Deutungsrahmen (bezo-gen auf das zu untersuchende Problem) die Öffentlichkeit als«herrschende» öffentliche Meinung ausweist.Individuelle Meinungsbildung wird als ein Prozess verstanden, der zwi-schen die Konzepte öffentliche Meinung und Bevölkerungsmeinung ge-schaltet ist und insoweit darüber entscheidet, ob und in welchem Aus-mass die Bevölkerungsmeinung von der Öffentlichkeit geprägt wird.Dieser Prozess ist vor allem in Hinblick darauf zu beobachten:– wie stark der Effekt von öffentlicher Meinung auf welche Teil-gruppen des politischen Publikums ist,– welche weiteren Randbedingungen und Wirkfaktoren diesen Ef-fekt verstärken oder konterkarieren.Unter der Bildung der Bevölkerungsmeinung wird schliesslich ein rein«technischer» Vorgang der Aggregation individueller Meinungen ver-standen, wie er etwa in Wahlen und Abstimmungen oder durch Mei-nungsumfragen bewerkstelligt wird. Dieser Mechanismus ist vor allemdarauf hin zu beobachten:– ob er von sich aus (!) spezifische Formen öffentlicher Kommuni-kation induziert (etwa Wahl- und Abstimmungskampf), die sichhinsichtlich beobachtbarer Merkmale vom Normalbetrieb öffent -licher politischer Kommunikation unterscheiden.33Öffentlichkeitstheoretische Grund lagenWirkungsspekulationen und Bearbeitungsoptionen, die den eigenen Absichtendienlich bzw. den Interessen anderer hinderlich sind. |
2.2 Demokratietheoretische Grundlagen: Funktion und Stellenwert öffentlicher Meinung in der direkten DemokratieIn der direkten Demokratie ist der Stellenwert öffentlicher Meinung ver-gleichsweise hoch, weil die individuelle Meinungsbildung unter den Be-dingungen direkter Mitentscheidungsmöglichkeit ein grösseres Gewichterhält und die Anreize, öffentlich zur Sache zu kommunizieren, bei Be-troffenen und Beteiligten deutlich gestärkt werden. Diese Auffassunggehört zum unverrückbaren Kernbestand derjenigen Argumente, die für Referendumsdemokratien und gegen die «legitimatorische Unteraus-stattung» rein repräsentativer politischer Systeme in Anschlag gebrachtwerden. Die Attraktivität direkter Demokratie lebt demnach nicht nur(vielleicht nicht einmal an erster Stelle) von der Hoffnung auf sachge-rechtere Entscheidungen, sondern von der Erwartung, sie befördere aussich heraus umfassendere Partizipation, mehr Bürgerbeteilung an Poli-tik, einen höhere Mobilisierungsfähigkeit demokratischer Prozesse undnicht zuletzt die Steigerung politischer Informiertheit und politischenInteresses (vgl. u. a. Cronin 1989; Hahn / Kamienecki 1987; Butler / Ran-ney 1994; Kirchgässner u. a. 1999; Schiller 2002; Büchi 2007). Alle diesedemokratieförderlichen Wirkungen können natürlich nicht durch denAbstimmungsvorgang selbst erzeugt werden, durch den eigentlichenGang zur Urne, sondern sie sind nur vorstellbar als Resultat eines inten-sivierten öffentlichen Kommunikationsprozesses im Umfeld der Aus-übung von Volksrechten. «Für die politische Bürgerkultur ist der durchdas Institut der Volksinitiative und Volksabstimmung geförderte politi-sche Kommunikationsprozess wichtiger als die Abstimmung selbst» undauch als ihr Ergebnis (Welzel 1997, 68). Mit anderen Worten: die Hoff-nungen auf «Mehr Demokratie» durch direktdemokratische Verfahrenbasieren nicht zuletzt auf der Erwartung einer deutlichen Belebung po-litischer Öffentlichkeit und eines steigenden Stellenwerts öffentlicherMeinung. Der Erfolg von Initiative oder Referendum ist insoweit nicht(nur) am Abstimmungsergebnis zu bemessen, schon die Mobilisierungvon Öffentlichkeit kann als demokratiepolitische Wirkung der Volks-rechte begriffen werden. So wird im Zusammenhang mit der Schweizdarauf verwiesen, dass manche Themen der «Neuen Politik» aufgrundvon Volksinitiativen früher, breiter und intensiver diskutiert wurden alsin reinen Repräsentativsystemen, wo es – wie etwa in Deutschland – zu-34Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und Demokratie |
nächst einer Veränderung des Parteiensystems bedurfte, um den gleichenZweck zu erzielen. Ihre Innovationskraft in landwirtschaftspolitischen,verkehrspolitischen (Stellenwert der Bahn), drogenpolitischen und um-weltpolitischen Belangen, so wird vermutet, verdankt die Schweiz nichtzuletzt den Volksrechten.Diesen Hoffnungen stehen empirische Befunde der politischenKommunikationsforschung entgegen, wonach politische Öffentlichkeit,die in komplexen Gesellschaften vor allem von Medienöffentlichkeit ge-tragen wird, im Zuge eines zunehmend ausdifferenzierten, kommerzia-lisierten und globalisierten Mediensystems eher an politischem Gehaltund Diskursqualität verliert. Der medialen Politikvermittlungspraxiswestlicher Demokratien stellen die meisten Autoren ein eher schlechtesZeugnis aus: Personalisierung und Privatisierung statt Sachorientierung,Inszenierung und Symbolik statt politischer Deliberation, Politainmentund Schaupolitik statt fundierter Information über Hintergründe undFolgen von politischen Entscheidungen, so lauten schlagwortartig diemeisten Vorwürfe, insbesondere an die Wahlkampfkommunikation (vgl.Patterson 1993; Schulz / Zeh 2005; Strömbäck / Kaid 2008).Unter diesen Voraussetzungen müsste man befürchten, dass direkt-demokratische Verfahren zusätzliche Anreize für eine Instrumentalisie-rung politischer Öffentlichkeit durch populistische und demagogischeKommunikationsstrategien liefern und damit insgesamt den Anliegendemokratischer Öffentlichkeit eher schaden als nutzen. Wie sich die öf-fentliche Kommunikation im Umfeld von direktdemokratischen Verfah-ren tatsächlich ausgestaltet, ob und inwieweit sich etwa spezifische Mus-ter politischer Kommunikation auffinden lassen, die sich hinsichtlich definierter (Qualitäts-)Kriterien vom «Normalbetrieb» öffentlicherKommunikation und Meinungsbildung unter parlamentarisch-repräsen-tativen Bedingungen unterscheiden, sind empirische Fragen, die durchForschungen der hier vorliegenden Art zu klären sind. Analytische Ka-tegorien und weiterführende Fragestellungen, die solche Forschungenanleiten können, lassen sich aus einer Reihe theoretischer Vorüberlegun-gen beziehen, die im Folgenden kurz zu skizzieren sind.Die vorliegenden theoretischen Überlegungen zur kommunikati-ven Dimension direkter Demokratie lassen sich grob in informations-ökonomische, öffentlichkeitssoziologische und diskurstheoretische Zu-gangsweisen sortieren. In informationstheoretischer Perspektive, die vorallem von Vertretern einer ökonomischen Theorie der Politik vertreten35Demokratietheoretische Grundlagen |
wird, wird im Kern mit der Anreizstruktur argumentiert, die direkt -demokratische Institutionen Informationsanbietern und -nachfragernzur Verfügung stellen (vgl. Kirchgässner u. a. 1999, 47–60). Der Stimm-bürger nehme die direktdemokratische Mitentscheidungsmöglichkeitprimär als Verstärkung seiner unmittelbaren Einflusschancen auf Poli-tikinhalte (political efficacy) wahr und somit als Möglichkeit, im wohl-verstandenen Eigeninteresse zu handeln. Nur unter diesen Bedingungensei es für ihn rational, sich über komplexe politische Sachfragen um -fassend zu informieren und dafür auch erhöhte Informationsverarbei-tungskosten zu tragen. Wird die Produktion und Durchsetzung vonProblemlösungen demgegenüber an Repräsentanten delegiert, steigt fol-gerichtig die Neigung, Informationskosten zu sparen. InformationShortcuts wie die Orientierung an Personen, Symbolen und Images be-günstigen dementsprechend eine politische Öffentlichkeit, die zur Ent-sachlichung und Simplifizierung neigt. Volksabstimmungen versehendemgegenüber alle interessierten Kommunikatoren mit dem Anreiz,fundiert und sachorientiert für ihre Anliegen zu werben. Nur wenn esihnen gelingt, öffentliche Aufmerksamkeit für ihre Positionen zu erzeu-gen, überzeugend und allgemeinverständlich zu argumentieren, habensie Aussicht auf das erhoffte Stimmenmehr. Infolgedessen bietet die po-litische Öffentlichkeit im direktdemokratischen Entscheidungsprozessein breites Spektrum unterschiedlicher Erwägungsgründe «Für» und«Wider» und ermöglicht somit eine differenzierte Meinungsbildung derBetroffenen. Zugleich werden die Informationsbeschaffungskosten ge-senkt, denn die politischen Kommunikatoren haben ein starkes Eigenin-teresse, ihre Positionen und Argumente von sich aus möglichst nahe andas Ohr der Stimmbürgerschaft zu tragen. Die Massenmedien tun einÜbriges, indem sie ihrerseits das verstärkte gesellschaftliche Interesse anden jeweiligen Sachthemen für die Steigerung des Zuschauer-, Zuhörer-und Leserzuspruchs zu nutzen versuchen und mithin verstärkt themen-bezogenen Output produzieren (vgl. Klein 1996).Mit diesem Argument geht der informationsökonomische Begrün-dungsstrang in einen öffentlichkeitssoziologischen über, der zentral da-rauf verweist, dass die soziale Infrastruktur politischer Öffentlichkeit,das Spektrum von Sprechern, die in den verschiedenen Arenen öffent -licher Kommunikation mit Anspruch auf Aufmerksamkeit und Gehöraufzutreten vermögen, im direktdemokratischen Entscheidungsprozessdeutlich vielfältiger ausfällt als im parlamentarisch-repräsentativen Sys-36Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und Demokratie |
tem. Während dort mit der Dominanz etablierter Akteure aus Parla-ment, Regierung und politischen Parteien in der öffentlichen Kommuni-kation zu rechnen ist, die über die notwendigen Ressourcen verfügenund zudem Nachrichtenwerte wie Status, Prominenz und Aktivität ansprechen, werden hier auch die Meinungen der Betroffenen und ihreInteressenzusammenschlüsse nachgefragt, nicht zuletzt von den Mas-senmedien. Gerade im Falle von Volksinitiativen, die von nicht parteige-bundenen Gruppierungen oder parteiübergreifenden Bündnissen getra-gen werden, treten neue Akteure aus ihrer Publikumsrolle heraus undwerden zur öffentlichen Äusserung veranlasst, wodurch die Kommuni-kation im Idealfall durch neue Perspektiven bereichert werden kann(Bohnet 1997). Zugleich zeichnet sich öffentliche Kommunikation unterdiesen Bedingungen durch eine Differenzierung der Anspruchsniveausbei grundsätzlicher Laienorientierung aus, müssen doch komplizierteSachverhalte so vermittelt werden, dass sie prinzipiell von jedermannverstanden werden können (Kirchgässner u. a. 1999, 68–70).In diskurstheoretischer Perspektive geht es über die bisher gehörtenArgumente zur Mobilisierung und Aktivierung politischer Öffentlich-keit hinaus um die Qualifizierung öffentlicher Kommunikation. Die ent-sprechende These lautet, dass öffentliche Kommunikation im direktde-mokratischen Prozess an deliberativer Qualität gewinnen würde mitentsprechend gesteigertem Nutzwert ihres Produkts, der öffentlichenMeinung, für die individuelle Meinungsbildung der Stimmbürgerinnenund Stimmbürger. Beinahe alle Autoren, die in dieser Weise argumentie-ren (vgl. etwa Bohnet / Frey 1994; Scheyli 2000; Schneider 2003), rekur-rieren in dem Zusammenhang auf die diskurstheoretischen Arbeiten vonJürgen Habermas (vgl. v. a. Habermas 1992a, 1992b) und folglich aufQualitätskriterien wie Gleichheit, Offenheit und Interaktivität vonKommunikation. Es ist schon einiges gesagt worden zur Gleichheit derAnsprüche auf Gehör und Aufmerksamkeit. Sie ergibt sich aus demUmstand, dass die Entscheidung samt der entscheidungsvorbereitendenKommunikation aus der Anonymität und Exklusivität repräsentativerKörperschaften in die Arenen der allgemeinen Öffentlichkeit verlagertwird. Das Gleiche gilt für die Offenheit der Abstimmungskommunika-tion für neue, nicht etablierte Sprecher. Darüber hinaus wird auf die Of-fenheit direktdemokratischer Öffentlichkeit für neue Themen verwie-sen, denn die verschiedenen Verfahren direkter Demokratie seien nichtzuletzt prädestinierte Instrumente des politischen Agenda-Setting. Was37Demokratietheoretische Grundlagen |
schliesslich Diskursivität angeht, verweisen etwa Frey und Kirchgässner(1993) darauf, dass bei Sachabstimmungen bestimmte Beschlussvorlagenimmer in Konfrontation mit Alternativen diskutiert werden, entwederim Vergleich zu den geltenden Regelungen oder, im Falle des Referen-dums, in Auseinandersetzung mit einem vorgängig gefällten parlamenta-rischen Entscheid. Damit entstehe automatisch eine Pro- und Contra-Argumentationsstruktur und somit Interaktion und Diskursivität.Neben diesen generellen Zusammenhängen ist die Qualität undBedeutung der kommunikativen Dimension direktdemokratischer Ver-fahren in hohem Masse von den konkret gegebenen Randbedingungenim Einzelfall abhängig. An erster Stelle ist in dem Zusammenhang aufdie Rolle der politischen Eliten hinzuweisen. Das Ausmass von Konfliktoder Konsens und die Formierung von Elitenkoalitionen prägt Umfangund Inhalt von Kampagnenaktivitäten (Kriesi 2007). Darüber hinaus istdie konkrete Ausgestaltung direktdemokratischer Verfahren von Bedeu-tung. So macht es für die Intensität und Beteiligung öffentlicher Kom-munikation einen Unterschied, ob die anstehende Entscheidung «vonunten» ausgelöst wird, also in Form einer Volksinitiative aus der Mittedes politischen Aktiv-Publikums entspringt, oder ob es sich um eine vonden Staatsorganen eingeleitete Volksabstimmung handelt, wie etwa beiobligatorischen Referenden. Im letztgenannten Fall wird die öffentlicheDebatte annahmegemäss in stärkerem Masse von den taktischen Kalkü-len der politischen Entscheidungsträger dominiert sein (Kampwirth1999, 21), wäre also im Sinne der Habermas`schen Unterscheidung eherinstrumentelle als etwa herrschaftsfrei-diskursive Kommunikation. Sowird die kommunikative Begleitung des Behördenreferendums vonvornherein auf nichts anderes als auf die Beschaffung von Legitimati-onsvorteilen für längst entschiedene Entscheidungen aus sein (Linder1999, 328) und insoweit eher demonstrative als diskursive Publizität er-zeugen. Auch bei bloss konsultativen Abstimmungen wird eine ernst-hafte Debatte mit breiter Beteiligung wegen der Unverbindlichkeit desEntscheides eher nicht entstehen (Frey / Kirchgässner 1993, 139; Schnei-der 2003).Tatsächlich liefern die Schweizer Erfahrungen Indizien dafür, dasspopulistische Formen politischer Kommunikation in Abstimmungs-kämpfen praktiziert werden und erfolgreich sein können. Speziell imZusammenhang mit Referenden (obligatorischen und / oder fakulta -tiven) treten vergleichsweise häufig politische Minderheitenakteure auf,38Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und Demokratie |
die als notorische «Neinsager» die Unzufriedenheit, das Misstrauen unddie Ressentiments bestimmter Teile der Bevölkerung zu kanalisieren ver-mögen und ein beträchtliches Obstruktionspotenzial mobilisieren kön-nen (vgl. Kobi 1992). Der Berner Politologe Wolf Linder prägte für die-ses im Referendumsprozess regelmässig in Erscheinung tretende Phäno-men den Begriff «Nein-Welle» (Linder 1983, 298), welche die Vorlagender Konkordanzkräfte vom Tisch zu fegen vermöge.Die Aussicht, auf diese Weise die Leichtgläubigkeit der Stimmbür-ger zu nutzen, steigt in dem Masse, wie faktische Informationsmöglich-keiten nicht genutzt werden und das Wissen um den Abstimmungsge-genstand gering ist. Die stärksten Impulse für eine diskursiv geführteDebatte gehen insoweit von der Volksinitiative und dem vom Volk er-griffenen Referendum aus. Während also die Befürworter repräsenta -tiver Verfahren gerade vor der Gefahr durch die grossen Vereinfacherund Populisten warnen, argumentieren die Befürworter der direktenDemokratie, dass gerade in der Institutionalisierung der öffentlichenDebatte über Politik, im Zwang zur öffentlichen Begründung und kom-munikativ-argumentativen Überzeugung für geplante Entscheidungender eigentliche Vorteil direkter Demokratie zu sehen sei. Durch den de-liberativen Prozess im Vorfeld von Referenden und Initiativen werde dieanonyme kollektive Entscheidung zu einer privaten Angelegenheit undsteigere dadurch das Einbezogensein. Dieses gesteigerte Interesse undInformationsbedürfnis betreffe nicht nur die zu entscheidende Sachfra-ge im Speziellen, sondern auch die Politik, ihre Verfahren, Regeln, Ak-teure und Strukturen im Allgemeinen (Bohnet / Frey 1994, 345).Einer weitergehenden These Kirchgässners zufolge (Kirchgässner1992; vgl. auch Frey / Kirchgässner 1993, 141) wirkt die öffentliche39Demokratietheoretische GrundlagenTabelle 1: Erwartbare Diskursqualität der Abstimmungskommunikation bei verschiedenen VerfahrensvariantenAuslöser Diskursqualität(Personal)Plebiszit Staat niedrigKonsultative Abstimmung Staat niedrigObligatorisches Referendum Staat niedrig |
Kommunikation im Vorfeld von Volksabstimmungen in der Richtung,dass die sogenannten Meta-Präferenzen der Individuen für ihr Entschei-dungsverhalten in sehr viel stärkerem Masse relevant werden, als ihreunmittelbar entscheidungsbezogenen Präferenzen. Die Stimmbürgerneigen folglich eher zum Altruismus als zur individuellen Nutzenmaxi-mierung, kommunizieren und handeln eher konsens- und verständi-gungsorientiert als instrumentell. Baurmann und Kliemt (1993, 165) hal-ten ein solches Handeln allerdings nicht für einen Effekt öffentlicherKommunikation, sondern erklären ihn mit dem Phänomen der «indi -viduellen Insignifikanz» direktdemokratischen Entscheidens. Da keinStimmbürger einen kausalen oder entscheidenden Effekt seiner Stimmeauf das Entscheidungsergebnis unterstellen kann, kann es sich der Einzelne dann «leisten», eine altruistische Position einzunehmen, seinepersönlich-strategischen Interessen zu vernachlässigen und sich anMeta-Präferenzen – etwa den Vorstellungen von legitimen Interessen,Überzeugungen vom Rechten und Angemessenen etc. – zu orientieren.Zugleich weisen die Autoren darauf hin, dass solche übergeordnetenmoralischen Positionen in der Regel im Anschluss an oder in Überein-stimmung mit individuellen Interessen aufgebaut werden, sodass auch«hinter dem Schleier individueller Insignifikanz» interessengemäss ab -gestimmt wird. Gegen die These, wonach die öffentliche Deliberation im Vorfeld von Volksabstimmungen tendenziell eine an verallgemei -ner baren Interessen ausgerichtete Entscheidung möglich, wenn nichtwahrscheinlich mache, spreche zudem, dass die hochgradig themenfo-kussierte, intensive öffentliche Debatte mit ihren geringen Informations-beschaffungskosten umgekehrt auch dazu führen kann, dass sich derStimmbürger über seine Eigeninteressen (und die Mittel ihrer Befriedi-gung) im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung erst bewusst wird –und sich anschliessend genau daran orientiert (vgl. auch Bohnet / Frey1994, 345). Auch in der Bewusstwerdung individueller Interessen könneman insofern die Funktion öffentlicher Meinungsbildung im Vorfeldvon Volksabstimmungen sehen. Und man wird diese Funktion beson-ders dann zu schätzen wissen, wenn man sich bewusst macht, dass diegrössten Übel durch politische Entscheidungen hervorgerufen werden,die sich gerade nicht an individuellen Interessen orientieren (Baurmann /Kliemt 1993, 165–166). Tatsächlich ist die Unterstellbarkeit nicht a priori verfestigter Präferenzen, die insoweit Raum lassen für den Mei-nung (um-)bildenden Effekt der Beratschlagung, für das Diskursmodell40Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und Demokratie |
zentral. Prallen lediglich vorgefertigte Meinungen und Argumente auf -einander, die selbst auf längere Sicht nichts bewegen, so kann man, dasbetonen alle einschlägig interessierten Autoren (Kriesi 1994; Frey /Kirchgässner 1993; Klein 1996), definitiv nicht von einem deliberativenKommunikationsstil sprechen.Um zu zeigen, dass nicht nur die Qualität öffentlicher Kommuni-kation höher, sondern auch die Bindungswirkung öffentlicher Meinungim direktdemokratischen Kontext stärker ist, wird darüber hinaus aufdie deliberative Demokratietheorie zurückgegriffen, und zwar insbeson-dere auf Habermas’ Idee der Zweigleisigkeit deliberativer Politik (Ha-bermas 1992b). Im Unterschied zu Joshua Cohen (1989) begnügt sichHabermas nicht mit der Forderung nach deliberativ verfahrender Be -ratung und Beschlussfassung im rechtsstaatlich institutionalisierten Wil-lensbildungsprozess (insbesondere im parlamentarischen Prozess). Daneben tritt bei ihm die Idee nichtinstitutionalisierter informeller Mei-nungsbildung im Rahmen der diskursiven politischen Öffentlichkeit.Die Qualität deliberativer Politik hängt also bei Habermas exakt vomfunktionierenden «Zusammenspiel» dieser beiden Kommunikations-kreisläufe ab, wobei die formell institutionalisierten Prozesse der Mei-nungs- und Willensbildung auf praktische Lösungen (Problembearbei-tung) ausgerichtet sind, während die informelle nichtinstitutionalisierteMeinungsbildung der politischen Öffentlichkeit auf die Identifikationund Entdeckung sozialer Probleme spezialisiert ist (Habermas 1992a,427). Sie versorgt die institutionalisierten Verfahren der Willensbildungmit gesellschaftlichen Problemen in Form von öffentlich artikuliertenund begründeten Forderungen oder Bedürfnissen, wobei die legitimie-rende Kraft öffentlicher Meinung darin besteht, dass politische Öffent-lichkeit im Unterschied zum Kernbereich der Politik «über ihre zivilge-sellschaftliche Basis in der Lebenswelt verwurzelt» ist (Habermas 1992a,435) und ihr Rohmaterial direkt von dort bezieht.Wie genau aber das «Zusammenspiel» (Habermas 1992a, 361) derbeiden Gleise deliberativer Politik funktionieren kann, welche Kommu-nikationsbrücken aufgebaut und erhalten werden müssen, bleibt bei Ha-bermas einigermassen unterbelichtet, wie Martin Scheyli (2000, 86–92)in seiner Berner rechtswissenschaftlichen Dissertation herausarbeitet.Ähnlich wie Frey und Kirchgässner argumentiert Schleyli, dass die Ein-richtungen direkter Demokratie, insbesondere in Form von Verfas-sungsobligatoria, Volksinitiative und fakultativem Referendum, ideale41Demokratietheoretische Grundlagen |
Brücken der Rückbindung verbindlichen Entscheidens an öffentlicheMeinungsbildung darstellen (Scheyli 2000, 111–113 und 176–177). Poli-tische Öffentlichkeit werde insoweit in der direkten Demokratie von ihrem peripheren Status befreit und rücke ins Zentrum des Entschei-dungssystems, da sie auf der Ebene der Verfassungs- und Gesetzgebungunmittelbare politische Wirksamkeit zu entfalten vermöge: «Die Öffent-lichkeit ist (. . . ) an den Prozessen der demokratischen Entscheidungsfin-dung und damit am Mittelpunkt des politischen Systems insofern selbstbeteiligt, als mittels Volksinitiativen oder Referenden Resultate infor-meller öffentlicher Meinungsbildung in verbindlicher Weise auf dieRechtsetzung einwirken» (Scheyli 2000, 185).Soweit man unterstellen kann, dass das Ergebnis einer Volksab-stimmung wesentlich von der vorgängigen öffentlichen Beratschlagungbeeinflusst ist und nicht von anderen, gleichsam im Verborgenen wir-kenden Faktoren wesentlich determiniert wird, leuchtet die Argumen -tation ein. Sie kann darüber hinaus geführt werden, wenn man an das anknüpft, was oben als präventive Öffentlichkeitswirkung direktdemo-kratischer Einrichtungen bezeichnet wurde. Danach gewinnt öffentlicheMeinung im direktdemokratischen Kontext schon deshalb an Bedeu-tung, weil sie im politischen System gewissermassen als Dauerrepräsen-tation des «wahrscheinlichen Volkswillens» beobachtet und gelesenwird. Der Medientenor, so kann man vermuten, dient (neben Umfrage-forschung) als wichtigster Indikator des Abstimmungsergebnisses, daszu erwarten wäre, wenn es denn tatsächlich zur Volksabstimmung käme.Durch diese Indikationsfunktion dirigiert öffentliche Meinung die Ent-scheidungsfindung in den parlamentarischen und vorparlamentarischenArenen des politischen Prozesses (Hertig 1982, 259), und zwar stärkerals in repräsentativ-demokratischen Systemen, deren Entscheidungs -instanzen sich ja im Wahlprozess von aktueller Zustimmung der Betrof-fenen vorübergehend unabhängig machen (Scharpf 1973, 34–35) und insoweit frühestens in der zweiten Hälfte einer Wahlperiode durch er-höhte Responsivität gegenüber der Öffentlichkeit auffallen. Eine Ne-benwirkung der Volksrechte dürfte also darin bestehen, dass sie zu einerstärkeren Beachtung von politischer Öffentlichkeit (und als deren wich-tigstem Teil: der Medienöffentlichkeit) führt, und zwar als Folge des Be-mühens der legislativen und exekutiven Staatsorgane, die politischen«Risiken» der Volksrechte zu minimieren beziehungsweise zu kontrol-lieren. Schon das blosse Vorhandensein direktdemokratischer Volks-42Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und Demokratie |
rechte (und nicht nur deren Wahrnehmung) ist eine Herausforderungder offiziellen staatlichen Politik, die diese dazu zwingt, sich öffentlichzu rechtfertigen, als die bessere Alternative zu präsentieren und für Un-terstützung zu werben.In ähnlicher Weise argumentiert Welzel (1997) mit seinem Refe-renzmodell einer «interaktiven Demokratie». Die nachlassende politi-sche Integrationskraft des repräsentativen Prinzips in den parlamenta -rischen Systemen Westeuropas erklärt Welzel mit der Schwächung derlegislativen Repräsentativorgane im inter-institutionellen Verhandlungs-geflecht des deutschen Föderalismus und der Europäischen Union beigleichzeitig steigenden Mitsprachekompetenzen und -ansprüchen in der«kognitiv mobilisierten» Bildungsschicht. Als angemessene Reaktion aufdiese «kontradiktorischen Wandlungstendenzen» empfiehlt der Verfas-ser eine Anpassung der institutionellen Struktur von Bürger-Elite-Be-ziehungen, um neue Responsivitätszwänge zu institutionalisieren unddamit die «Kompetenz- und Präferenzeinbindung» der Politik zu erhö-hen: «Um so weniger das allgemeine (Elitenaus-)Wahlrecht der Bürgerdazu noch hinreicht, desto mehr drängt sich die Konsequenz auf, es aufein allgemeines (Sach-)Entscheidungsrecht auszuweiten» (Welzel 1997,61). Dieser Weg führt von einer «rezeptiven Demokratie» (72), in der diepolitisch-administrativen Eliten permanent auf die Rolle des Hand-lungssubjekts und die Bürger (jenseits der periodischen Elitenauswahl)dauerhaft auf die Rolle des Handlungsobjekts festgelegt sind, zu einer«interaktiven Demokratie», in der die Subjekt-Objekt-Rollenverteilungwechseln kann und politische Steuerung insoweit aus wechselseitigenSteuerungsimpulsen zwischen Bürgern und Eliten resultiert (73). Die in-frastrukturellen Voraussetzungen dafür seien günstig, weil die modernenGesellschaften sich mittels interaktiver elektronischer Online-Medienzunehmend vernetzten. Dadurch wird die Fähigkeit zur Selbstkoordina-tion sozio-politischer Interessen enorm gesteigert: «Durch kommunika-tive Vernetzung untereinander und mit offiziellen Stellen können dieBürger einer Kommune, einer Region oder eines Staates sehr viel schnel-ler und koordinierter auf Elitenhandlungen reagieren als jemals zuvor,denn Reaktionen – sei es in Form von Eingaben, Initiativen oder Ab-stimmungen –, die über das elektronische Kommunikationsnetz erfol-gen, setzen die üblichen Beteiligungsbarrieren, wie Zeitaufwand undörtliche Präsenz, auf geradezu dramatische Weise herab.» (Welzel 1997,74) Direktdemokratische Einflussnahme auf Sachentscheidungen und43Demokratietheoretische Grundlagen |
Öffnung des politischen Kommunikationsprozesses über Online-Me-dien weisen für Welzel den Weg in die leistungsfähige, responsive und«interaktive Demokratie».ZusammenfassungZunächst scheint die Annahme gut begründet, dass der politischen Öffentlichkeit und ihrem Produkt, der öffentlichen Meinung, im direkt-demokratischen politischen Prozess ein höherer Stellenwert und einstärkeres Einflusspotenzial zukommt als im parlamentarisch-repräsenta-tiven System. Unter direktdemokratischen Bedingungen muss öffent -liche Kommunikation – will sie ihr Ziel erreichen – gerade nicht auf Entpolitisierung, Entertainisierung, Personalisierung und politischeSymbolik abzielen, sondern umgekehrt den Stimmbürger für politischeSachfragen interessieren, ihn über das Für und Wider der Entschei-dungsalternativen informieren und natürlich auch zur Stimmabgabe inder jeweils befürworteten Richtung motivieren. Der tendenziellen Ablenkung von der Sachpolitik und Degradierung des Wählers zumKonsumenten von Schaupolitik in der präsentativen Öffentlichkeit par-lamentarischer Systeme stehe die bewusste Fokussierung von Aufmerk-samkeit auf politische Sachfragen sowie eine verstärkte Informations-,Mobilisierungs- und Überzeugungsarbeit mit tendenziell diskursiverQualität in der aktivierten Öffentlichkeit (halb-)direktdemokratischerSysteme gegenüber – so könnte man holzschnittartig zusammenfassen.Freilich ist die (theoretische und) empirische Begründungslast, diesich eine solch generelle Vermutung auflädt, durch die vorliegende For-schungsliteratur bei weitem nicht abgetragen. Eine Reihe von Fragenstellt sich:Sind die Auswirkungen direktdemokratischer Einrichtungen auföffentlich-politische Kommunikation lediglich quantitativer (Intensivie-rung, Ausweitung) oder auch qualitativer Art (Diskursivität)?Ist zu erwarten, dass Abstimmungskommunikation automatischund in allen Verästelungen diskursive Qualität (im anspruchsvollen Sin-ne) erreicht und die öffentliche Meinung in der direkten Demokratie in-soweit per se über ein höherwertiges Begründungsniveau verfügt?Ist der Anreiz zu «argumentativem Training» (Tilman Evers), dervon der blossen Mitwirkungsmöglichkeit ausgeht, tatsächlich gross 44Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und Demokratie |
genug, um alle Bevölkerungsteile einigermassen gleichmässig zu stimu-lieren, oder spiegelt sich die Ungleichheit in der Wahrnehmung derVolksrechte («Verbandsrecht») auch in einer Ungleichheit der Beteili-gung (als Sprecher und / oder Zuhörer) politischer Kommunikation inder direkten Demokratie wider?Führt die potentielle Überforderung durch Komplexität, die die direkte Demokratie ihren Bürgern zumutet, nicht zu einem erhöhtenBedarf an Vereinfachung, zu einem Mehr an inszenierter und symboli-scher Kommunikation und zu grösseren Chancen für Demagogen undPopulisten?Das alles sind theoretisch nicht abschliessend zu klärende Fragen.Sie umschreiben vielmehr das Programm einer empirischen Abstim-mungsforschung, die ausserhalb der Schweiz und den USA kaum entwi-ckelt ist. Eine solche Forschung hat in jedem Einzelfall zunächst einmaldie Aufgabe, die abstrakten theoretischen Überlegungen, die in diesemAbschnitt referiert worden sind, im Hinblick auf die spezifischen Rand-bedingungen des jeweiligen Öffentlichkeits- und Mediensystems, das je-weilige institutionelle Design der Volksrechte, die politisch-kulturellenRandbedingungen und die Akteurskonstellation vor Ort zu spezifizie-ren. Denn die konkreten Wirkungen direktdemokratischer Einrichtun-gen hängen immer vom Systemkontext ab, in dem sie verankert sind undausgeübt werden (vgl. Jung 2001). Das gilt sicher auch für die Wirkun-gen direktdemokratischer Einrichtungen in der kommunikativen Di-mension. Die These kann also nicht lauten, dass direktdemokratischeEinrichtungen per se einen bestimmten Typus politischer Kommunika-tion hervorbringen, der sich etwa durch ein hohes Mass diskursiverQualität auszeichnet, sondern dass direktdemokratische Einrichtungenmit spezifischem instrumentellem Design unter bestimmten institutio-nellen, kulturellen und kommunikationspolitischen Bedingungen einediskursive Wirkung entfalten.2.3 Kommunikationstheoretische Grund lagen: ÖffentlicheKommunikation und individuelle MeinungsbildungObwohl Medien- und Kommunikationswirkungen in einem weiten Sin-ne alle denkbaren Veränderungen an Individuen, Aggregaten, Systemenoder Institutionen umfassen, die zumindest partiell oder in Interaktion45Kommunikationstheoretische Grund lagen |
mit anderen Faktoren auf Kommunikationsbotschaften zurechenbarsind (vgl. Schulz 1982), und obschon die einschlägige Wirkungsfor-schung von ihren sozialpsychologischen Anfängen an vornehmlich ander Beeinflussung von Einstellungen der Rezipienten durch Kommu -nika tions botschaften interessiert war, wird in der öffentlichen Wahr -nehmung vielfach gerade die kurzfristige Beeinflussung individuellerMeinungen (mit der Folge entsprechender Verhaltensweisen) mit demBegriff der Kommunikationswirkung gleich gesetzt (vgl. Bonfadelli2001, 342). Das mag mit dem publizistikwissenschaftlichen Stellenwert des imGrunde paradoxen «Kollektivsingulars» (Luhmann 2000, 302) öffent -liche Meinung zu tun haben, den man auf mikroskopischer Ebene durchein analogiefähiges Konzept kofundiert wissen will. Jedenfalls hat sichin der publizistik- und kommunikationswissenschaftlichen Literaturdie Rede von den meinungsbildenden Effekten der Kommunikationweithin durchgesetzt, während das in Psychologie und Soziologiegebräuch lichere Konzept der Einstellung seltener anzutreffen ist. Tat-sächlich sind aber in Bezug auf Meinung die begrifflichen Bemühungenkommunika tionswissenschaft licher Provenienz im Ergebnis eher vagegeblieben.Meinen ist nach Kant ein «unzureichendes Für-wahr-Halten», dassich meist implizit auf bestimmte grundlegende Werthaltungen beruft.Viel zitiert wird die Formulierung Luhmanns (1970, 4), wonach Mei-nung «als vorübergehend verfestigte Ansicht des Richtigen, die gewisseKontrollen der subjektiven Vernunft und der öffentlichen Diskussiondurchlaufen» hat, begriffen werden kann. Das Meinen ist per se nicht anWahrheit gebunden (vgl. Kepplinger 1996, 26 unter Bezug auf Popperund Hans Albert). Auch Axel Mattenklott (1996, 13) verweist im Zu-sammenhang mit dem Meinungsbegriff auf die Elemente Interpretation,Erwartung und Bewertung. Der Kommunikationswissenschaftler Bon-fadelli (1999, 89) hebt ebenfalls auf die subjektive Wissensbasis der Meinung und das Moment ihrer Labilität ab: «Meinungen bezeichnendas, was Personen über konkrete, stark individuell geprägte und sichrasch wandelnde Sachverhalte (. . . ) denken bzw. zu wissen meinen.»Funktional gesehen dienen Meinungen der Deutung und Behandlungvon Sachverhalten trotz Unsicherheit, das heisst, sie ermöglichen es, sichzu verhalten, auch wenn man nicht genau weiss, wie man ein Phänomen«richtigerweise» einzuschätzen hat.46Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und Demokratie |
Meinung wird indes erst sichtbar, wenn sie geäussert wird (Mei-nungsäusserung), etwa als Stellungnahme in einem Gespräch oder alsAntwort auf die Frage eines Interviewers. Die auf Befragungsinstrumen-ten basierende Meinungsforschung sieht sich insoweit mit dem Problemder sogenannten «Non-Attitudes» (Converse 1964), «No-Opinions»(Bogart 1967) beziehungsweise «Pseudo-Opinions» (Reuband 2000)konfrontiert. Befragte folgen in der Regel der impliziten Erwartung,dass man zu allem, was man gefragt wird, eine Meinung haben sollte. Inder Befragung geben sie folglich eine «Stellungnahme ab, obwohl sievorher über die Thematik noch nicht nachgedacht haben» (Reuband2000, 812), worin auch Bourdieu (1993, 215) einen kapitalen Einwandgegen die Meinungsforschung sieht.Die notwendigen Rohstoffe der Meinungsbildung sind den Men-schen vorgängig durch direkte Erfahrung mit dem Meinungsobjekt oderüber Prozesse der interpersonalen und medienvermittelten Kommuni-kation zugeflossen, ohne dass notwendig unterstellt werden muss, dassdiese willentlich und absichtsvoll im Hinblick auf bestimmte Meinungs-äusserungen «gesammelt» worden sind. Sie werden über die Sinnesorga-ne aufgenommen und gelangen über das Ultra-Kurzzeitgedächtnis unddas Arbeitsgedächtnis selektiv in das Langzeitgedächtnis, wo sie als Wis-sensbestandteile und Bewertungen (Einstellungen, Normen) für Mei-nungsäusserungsprozesse verfügbar gehalten werden.14 Während diepsychologische Forschung Meinungsbildung mit Blick auf die (willent-liche oder unwillentliche) Aktivierung des Langzeitgedächtnisses (Has-tie / Park 1986) fokussiert, wird der Prozess der Meinungsbildung vonder Publizistik- und Kommunikationswissenschaft weiter gefasst. Erumfasst bereits die Nutzung der gesellschaftlich verfügbaren Informati-ons- und Kommunikationskanäle sowie die Rezeption der dabei emp-fangenen Kommunikationsbotschaften.15 Kurz: die Füllung der Ge-dächtnisspeicher durch öffentliche und interpersonale Kommunikationwird als fundamentale Voraussetzung von Meinungsbildung und Mei-47Kommunikationstheoretische Grund lagen14 Den oben eingeführten Begriff der No- oder Pseudo-Opinions würde man folglichterminologisch für diejenigen Fälle reservieren können, in denen Meinungen zu fik-tiven Personen oder Sachverhalten geäussert werden, über die vorab gar keine In-formationen geflossen sein können. 15 Meinungsrelevante Botschaften können dabei sowohl Meinungsäusserungen alsauch Tatsachenbehauptungen sein. |
nungsäusserung begriffen und gehört zu den am intensivsten bearbeite-ten Feldern empirischer Kommunikationsforschung (vgl. im ÜberblickKepplinger 2009).Die aktuelle Wahl- und Abstimmungsforschung modelliert denEinfluss von Information und Kommunikation auf die individuelle Mei-nungsbildung im Rahmen eines analytischen Modells, das der amerika-nische Politikwissenschaftler John Zaller als Receive-Accept-Sample-Model bezeichnet (Zaller 1992; Schmitt-Beck 2000; Kriesi 2005). Darinerscheint die individuelle Meinungsbildung als das Ergebnis des Zusam-menwirkens von vier zentralen Variablen (bzw. Variablenkomplexen).Zwei beziehen sich auf gesellschaftliche Kontextbedingungen der Mei-nungsbildung (Makro-Ebene), zwei weitere auf individuelle Eigenschaf-ten der Bürger (Mikro-Ebene). Die persönlichen Merkmale betreffenpolitische Interessiertheit und Informiertheit (political awareness) sowierelevante Vor-Einstellungen (predispositions), zentrale makroskopischeRandbedingungen sind die Intensität gesellschaftlicher Informations-flüsse zu einem Thema und die situativ bedingte Dominanz (Salience)bestimmter Kommunikationsbotschaften (vgl. Zaller 1992, 308). Mitdiesen Zutaten baut Zaller ein mehrstufiges Prozessmodell, das Vermu-tungen darüber formuliert, wie Menschen politische Informationen auf-nehmen (Receive-Komponente), wie sie diese Informationen verarbeiten(Accept-Komponente) und wie sie diese Rohstoffe in einer spezifischenSituation nutzen, um individuelle Meinungsäusserungen zu konstruie-ren (Sample-Komponente).Was zunächst die gesellschaftsweite Informationslage zu einemThema angeht, so wird sie in den Überlegungen Zallers als Ergebnis eines «Eliten-Diskurses» konzipiert (vgl. Zaller 1992, 6–16). Damit sollgesagt werden, dass alle frei verfügbaren Informationen über wichtigeöffentliche Angelegenheiten in der einen oder anderen Weise, direktoder indirekt auf Angehörige sozio-politischer Eliten zurückgehen. AlsInformationselite im wertfreien Sinne des Begriffs bezeichnet Zaller alleGesellschaftsmitglieder, die sich professionell und beinahe ausschliess-lich mit solchen Themen beschäftigen, die für die meisten Menschen völ-lig alltagsfern sind, eben hauptberufliche Politiker, Bürokraten, wissen-schaftliche Experten, Journalisten, Unternehmensführer, Aktivisten,Lobbyisten usw. Der Begriff der Elite ist ausdrücklich nicht auf dasherrschende Establishment fokussiert, sondern umfasst auch herr-schaftskritische Stimmen, wenn man so will: Gegeneliten. Selbst wenn48Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und Demokratie |
man einschlägige Informationen aus der direkten Alltagskommunika -tion bezieht, wie etwa im Gespräch unter Freunden, Verwandten undBekannten, so steckt annahmegemäss in der Regel eine «elitäre» Quelledahinter, mit welcher derjenige, mit dem man spricht, in Kontakt ge-kommen sein mag. In einer Phase intensiver Kommunikationskampa-gnen politischer Akteure (bspw. Wahl- und Abstimmungskämpfe), inder die Öffentlichkeit von den Kommunikationsbemühungen der Betei-ligten dominiert wird, ist die Vorstellung unmittelbar einsichtig. Aberauch der «Routinebetrieb» öffentlicher politischer Kommunikation lässtsich als ein Diskurs unter Eliten vor (laienhaftem) Publikum begreifen,in dem das Publikum die aufgeschnappten Informationsbestandteile inanderen Kommunikationskontexten weiter verwenden mag und so in die Gesellschaft diffundiert. Der Informationsbegriff wird dabei in einem sehr weiten Sinne gebraucht. Er umfasst eben nicht nur Fakten-wissen und Tatsachenbehauptungen, sondern meint alle Formen vonKommunikationsbotschaften, die von den sozio-politischen Eliten einerGesellschaft typischerweise verwendet werden, um ihre Sicht der Weltzu vermitteln. Politische Informationen liegen insoweit in Form stereo-typer Frames, Bilder oder Konstruktionen der Welt beziehungsweiseeinzelner Themen vor. Sie liefern nie ein rationales oder irgendwie voll-ständiges Abbild der Welt, sondern sind immer an den Intentionen derhandelnden und kommunizierenden Akteure ausgerichtet. Information«is never ‹just information›, because it is unavoidably selective and un -avoidably enmeshed in stereotypical frames of reference that highlightonly a portion of what is going on» (Zaller 1992, 13). «Information» sinddiese Kommunikationsbotschaften einzig und allein in dem Sinne, dassdie Menschen sie benutzen können, um sich eigene Meinungen zu bil-den. In diesem Zusammenhang ist eine Differenzierung von Interesse,die Zaller (1992, 41–42) bei aller Pauschalität des Informationsbegriffsbetont. Er unterscheidet zwischen sogenannten Überzeugungsbotschaf-ten (persuasive messages), die ihre Empfänger dazu bringen wollen, einen bestimmten Standpunkt auf die Sache einzunehmen, und den kon-textbezogenen Fingerzeigen (cueing messages), die über den ideologi-schen oder parteipolitischen Hintergrund einer Botschaft unterrichten.Cueing-Messages erlauben es dem Rezipienten, seine persönliche Hal-tung zu Meinungs- und Überredungsbotschaften zu finden, auch wenner deren Überzeugungskraft inhaltlich nicht einzuschätzen vermag. Ernutzt sie als information short cuts in dem Sinne, dass er der Empfehlung49Kommunikationstheoretische Grund lagen |
eines öffentlichen Sprechers dann folgen wird, wenn er unterstellt, dassdieser über das nötige Wissen verfügt, welches ihm selber abgeht unddem er aufgrund vorgängiger Erfahrungen meint, Vertrauen schenken zukönnen (vgl. auch Lupia / McCubbins 1998).Die Gesamtheit der öffentlich kommunizierten Informationen,Wissensbestände, Tatsachenbehauptungen, Meinungsäusserungen,Überzeugungsbotschaften und Cues treffen auf eine Bevölkerung, dereneinzelne Mitglieder mehr oder weniger bereit und in der Lage sind, sichmit ihnen zu beschäftigen. Das Ausmass an Hinwendung zu und Ver-ständnis von politischen Informationen hängt auf der individuellen Ebe-ne naheliegenderweise vom Grad der persönlichen politischen Involvie-rung ab. Zaller konzipiert dieses für ihn zentrale Konstrukt der «Politi-cal Awareness» als Kombination von Aufmerksamkeit und Verstehenbeziehungsweise Wissen, im konkreten Fall mithin als Verbindung vonInteresse an Politik und politischer Kompetenz.16 In Bezug auf die Ge-samtbevölkerung ist der durchschnittliche Grad politischer Awarenesseher niedrig einzuschätzen – mit allerdings beachtlichen Varianzen zwi-schen einzelnen Bevölkerungsgruppen (1992, 18). Daraus zieht Zallervor allem eine Konsequenz, dass nämlich bei – gemessen am Grad derpolitischen Involvierung – unterschiedlichen Bevölkerungsgruppenauch unterschiedliche Prozesse der Meinungsbildung ablaufen und inso-weit differenzierte Erklärungsmodelle verwendet werden müssen.Diese Forderung führt zu der (den) Rezeptions-Annahme(n) desReceive-Accept-Sample-Modells (RAS). Sie lautet: Je höher die politi-sche Involvierung eines Bürgers in Bezug auf ein bestimmtes Thema ist,desto grösser ist seine Aufmerksamkeit für die politischen Botschaftender öffentlichen Meinung oder politischen Kampagne (Zaller 1992, 42).Was die Quellen beziehungsweise Kanäle des politischen Informations-flusses angeht, so nimmt Zaller (1992, 43–44) hinsichtlich des Receive-Axioms keine weitere Differenzierung vor: Politische Involvierung beeinflusst die Berührung mit und das Verständnis von politischer Information positiv, egal ob die Information einem Bürger über die Mas-senmedien, persönliche Gespräche mit wem auch immer oder auf ande-50Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und Demokratie16 Zaller testet eine Reihe möglicher Indikatoren zur Messung des Konstrukts, näm-lich politische Mediennutzung, politisches Interesse, politische Partizipation, for-male Bildung und Faktenwissen über Politik, wobei er dem Letztgenannten diehöchste Gültigkeit bescheinigt (Zaller 1992, 335–336). |
rem Wege zufliesst. Dabei führt er vor allem methodische Gründe insFeld (ebd. Fn. 5), womit die theoretische Berechtigung der Unterschei-dung unterschiedlicher Kanalcharakteristika freilich nicht bestritten ist.Zugleich ist Awareness aber auch eine Resistenzressource, denn sie er-laubt es, neue Informationen kritischer zu evaluieren. Das heisst, je hö-her die politische Involvierung eines Bürgers, desto intensiver ist seinKontakt mit der öffentlichen Kommunikation, desto distanzierter undkritischer steht er aber auch ihren Botschaften gegenüber. Der Zusam-menhang von politischer Involvierung und öffentlicher Meinung istfolglich als nicht-lineare Beziehung zu verstehen.Zusammen mit den vorhergehenden Überlegungen zur gesell-schaftlichen Informationslage lassen sich aus dieser Annahme erste Hy-pothesen über die Meinungsbildung in der Bevölkerung ableiten, wobeivorab zwei Varianten öffentlicher Kommunikation zu unterscheidensind: der Fall des Elitenkonsenses (one-message-model) und der Fall desElitendissenses (two-message-model). Im Falle eines Elitenkonsenses,den die politisch Kompetenten und Interessierten mehr als andere wahr-nehmen (Zaller 1992, 210), werden die konsistenten Kommunikations-botschaften als Erwägungsgründe in die Meinungsbildung einfliessenund einen Konvergenz- oder Mainstreaming-Effekt auslösen. Wenn derEliten-Diskurs also Konsens signalisiert, wird die Meinungsbildungweitgehend unideologisch verlaufen. Das heisst, die differenten politi-schen, weltanschaulichen und kulturellen Prädispositionen der Men-schen werden nur geringen Einfluss auf ihre Meinungsbildung haben,die öffentliche Meinung einen umso stärkeren.Bietet die öffentliche Meinung demgegenüber verschiedene Sicht-weisen, Bilder oder Deutungen des gleichen Problems an (in Zallers Ter-minologie ein two-message-model),17 dann folgen die (aufmerksamen)Rezipienten denjenigen Eliten beziehungsweise Realitätsdeutungen, de-nen sie ideologisch näher stehen. Demgegenüber werden die weniger51Kommunikationstheoretische Grund lagen17 Der Einfachheit halber geht Zaller zunächst davon aus, dass die Öffentlichkeit imStreitfall einen eher liberalen und einen eher konservativen Meinungstenor produ-zieren wird (also two messages). Natürlich treten in der Realität von politischenKonfliktsituationen vielfältige Meinungsdifferenzen auf, was etwa die relative Stär-ke und Intensität der konkurrierenden Informationsströme angeht bzw. die Verän-derungen ihres Verhältnisses zueinander in einer bestimmten Zeitspanne. Das ver-anlasst Zaller (1992, 185–215) zur Konstruktion und Berechnung einer ganzen Va-riationsbreite solcher Mehr-Stimmen-Modelle. |
stark Involvierten dazu neigen, politische Botschaften unterschiedlicherRichtungen zu akzeptieren, weil ihnen widersprechende Argumente unddifferente Problemdeutungen ähnlich plausibel erscheinen und sie demkaum tragfähige Ablehnungsgründe entgegenzusetzen haben. Als Resul-tat verfügen schwach Involvierte im Falle von Eliten-Dissens über einenheterogenen Fundus an verinnerlichten Erwägungsgründen zu einerSachfrage. Insgesamt führt also Elitendissens im Segment der hoch In-volvierten zur Polarisierung der Meinungen, während die weniger Involvierten eher ambivalent sind. Im Umkehrschluss zur obigen An-nahme bedeutet dies: Wenn die öffentliche Meinung einen (ideologi-schen) Dissens der politischen Eliten signalisiert, dann wird auch dieMeinungsbildung der Bevölkerung vergleichsweise stärker ideologischgeprägt sein, in dem Sinne, dass die Prädispositionen grösseren Einflussauf die Meinungsbildung gewinnen. Dabei werden die politisch amstärksten involvierten Bürger besonders ausgeprägt ideologisch reagie-ren (Zaller 1992, 210).Damit ist die Rolle der sozio-politischen Vor-Einstellungen ange-sprochen, die tatsächlich die zweite zentrale Mikro-Variable in ZallersErklärungsansatz darstellen. Als Prädisposition bezeichnet er alle län-gerfristig stabilen, individuellen traits (Eigenschaften), die regulieren, objemand politische Informationsbotschaften akzeptiert oder nicht akzep-tiert. Sie sind das Ergebnis lebenslangen Lernens und Erfahrens, abhän-gig von der lokalen und sozialen Positionierung eines Gesellschaftsmit-glieds, und nicht zuletzt Ausdruck seiner Persönlichkeit. Zentrale Prä-dispositionen sind die politischen Wertorientierungen (value orienta -tions), verstanden als generelle und langlebige Standards zur Beurteilungsozialer Fragen beziehungsweise gegenstandspezifische, organisierendePrinzipien der Wahrnehmung. Zaller (1992, 28) selbst benutzt den Be-griff aber durchaus weiter: auch Ideologien, gruppenspezifische Einstel-lungskomplexe, religiöse Orientierungen etc. haben in seinem Modellden gleichen theoretischen Status. Prädispositionen sind Ausdruck derpolitischen Identität eines Bürgers, sie sind zwar nicht unwandelbar,aber doch immerhin so stabil, dass sie von den situativ einwirkenden In-formationsflüssen in einer persuasiven Situation selbst nicht umgestaltetwerden können, sondern umgekehrt ihrerseits auf die Wahrnehmungpolitischer Kommunikationsbotschaften wirken.Den Zusammenhang von individuellen Prädispositionen und demModus der Informationsverarbeitung formuliert Zaller (1992, 44) als Re-52Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und Demokratie |
sistenz-Axiom. Es besagt: Menschen neigen prinzipiell dazu, solche In-formationsbotschaften abzulehnen, die nicht mit ihren eigenen Über-zeugungen und Voreinstellungen übereinstimmen. Je grösser die Distanzzwischen eigenen Voreinstellungen und Meinungsbotschaft, desto stär-ker ist die Abwehrreaktion. Ihre Abwehrkräfte können Prädispositio-nen freilich nur in dem Masse entwickeln, wie es einem Rezipienten ge-lingt, tatsächlich eine (positive oder negative) Beziehung zwischen aktu-eller Kommunikationsbotschaft und vorhandenen Voreinstellungen zubemerken. Dazu werden sie entweder durch ihre politische Kompetenzoder durch die Auffälligkeiten der Botschaften befähigt. Wenn nämlichdie politische Kompetenz nicht ausreicht, um zu beurteilen, ob die je-weilige Botschaft mit den eigenen politischen Ansichten kompatibel ist,können ersatzweise die Zusatzinformationen einer Botschaft benutztwerden, um zu beurteilen, wie die Botschaft von denjenigen weltan-schaulichen, religiösen oder parteipolitischen Akteuren eingeschätztwird, mit denen man sich «normalerweise» im Einklang weiss und derenPrädispositionen man als identisch mit den eigenen einschätzt. Dasheisst, die individuellen Merkmale Involvierung und Prädisposition sindnicht unabhängig voneinander, sondern wirken in der Accept-Phase desMeinungsbildungsprozesses offensichtlich zusammen, was weitere Fol-gerungen nahelegt. Politisch Kompetente nehmen Kommunikationsbot-schaften wahr, sind aber resistent gegen Botschaften, die nicht ihrer Prä-disposition entsprechen. Politisch Uninteressierte haben zwar geringeprädispositive Abwehrkräfte, sind aber mangels Zuwendung zu denBotschaften kaum von Meinungsänderung durch Kommunikations -botschaften betroffen. Der höchste Einfluss öffentlicher Meinung auf individuelle Meinungsbildung ist folglich bei mittelstarker political awareness zu erwarten, wo es genügend Aufmerksamkeit für öffentlicheMeinung und gleichwohl nur gering ausgeprägte Abwehrkräfte gibt. Indieser Gruppe kann die Resistenz nur dann wirksam werden, wenn dieöffentliche Kommunikation reichlich source information anbietet, alsoHinweise darauf, welche Teile der politischen und gesellschaftlichen Eli-te bestimmte Ideen oder Vorschläge favorisieren oder eben ablehnen.Die Bürger werden sich dann, ohne aktuelle Botschaften und persön -liche Vorlieben gründlich gegeneinander abzuwägen, denjenigen Spre-chern und Gruppen im Elitendiskurs anschliessen, von denen sie zu wis-sen glauben, dass sie normalerweise ähnliche oder gleiche politischeGrundorientierungen vertreten wie sie selbst.53Kommunikationstheoretische Grund lagen |
Den Aktualisierungsprozess der Meinungsbildung – z. B. etwa imFalle von Wahlen und Abstimmungen – versteht Zaller als Stichproben-ziehung, womit die Sample-Komponente des RAS-Modells angespro-chen ist. Mit dieser Vorstellung wird davon ausgegangen, dass Menschensich unter keinen situativen Umständen tatsächlich die Zeit nehmen oderauch (unabhängig vom Zeitproblem) in der Lage wären, alle ihnen prin-zipiell verfügbaren Erwägungen zu aktualisieren und gegeneinander ab-zuwägen, denn: «Life is too short and the human mind too fallible» (Zal-ler 1992, 38). Damit ergibt sich die Frage, welche der verfügbaren Erwägungs-gründe tatsächlich herangezogen werden, wenn eine Meinung konkreti-siert werden soll. Die Auswahl der benutzten Erwägungen streut nichtzufällig, wenn sie auch schwer kalkulierbar sein mag. Hier argumentiertder Autor mit dem sogenannten Accessibility-Konzept (Iyengar 1990).Das entsprechende Axiom Zallers (1992, 48) besagt: Erwägungen, dievor kurzem aktualisiert worden sind, sind schneller und einfacher ausdem Speicher abrufbar und haben insoweit erhöhte Chancen, zurGrundlage der Meinungsäusserung zu werden. Umgekehrt, je älter eineprinzipiell verfügbare Erwägung ist, desto geringer die Chance, dass sie oder ähnliche Erwägungen in das situativ verwendete Ensemble vonErwägungsgründen gelangen. In Studien zur individuellen Meinungsbil-dung bei Sachabstimmungen ist daher auf die Bedeutung von Kampa-gnen- und Medieninformationen in den letzten Wochen vor dem Wahl-tag verwiesen worden (Joslyn / Haider-Markel 2000).Die Zusammensetzung des Samples (und die Gründlichkeit mit dersaldiert wird) hängt freilich nicht nur vom Speicherdatum der Erwä-gung, sondern auch von der gegebenen Situation ab, in der die Mei-nungsäusserung gefragt ist und abgegeben werden muss. In den Fällen,wo «auf die Schnelle» nur ein einzelner Erwägungsgrund im Fundus zu-gänglich ist, wird die Meinungsäusserung genau diesem Beweggrundfolgen. Sollte die Entscheidungssituation dem Betroffenen mehr Zeit las-sen – wie etwa bei Abstimmungen –, sodass er sich eine Mehrzahl vonErwägungen verfügbar machen kann, wird er eine Art durchschnitt -licher Tendenz aller Erwägungen ermitteln und seine Meinungsäusse-rung daran ausrichten. Sollten mehrere Erwägungen zugriffbereit seinund diese gar unterschiedliche Meinungsrichtungen nahe legen, so wirder, um es kaufmännisch auszudrücken, einen Saldo der Erwägungen bil-den und sein Meinungsstatement in Richtung der überwiegenden Erwä-54Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und Demokratie |
gungsgründe dirigieren.18 Diese Vorstellung bildet das abschliessendeResponse-Axiom (vgl. Zaller 1992, 49) in Zallers Meinungsbildungsmo-dell (Abb. 3).Insgesamt ergibt sich damit eine komplexe Vorstellung des Mei-nungsbildungsprozesses, in welchem die Erzeugnisse öffentlicher wieinterpersonaler Kommunikation eine gewichtige Rolle einnehmen. Siebilden das Material der Meinungsbildung, sind in ihrer Wirksamkeit al-55Kommunikationstheoretische Grund lagen18 Für die empirische Analyse wird diese Annahme gelegentlich dahingehend verein-facht, dass gleich die erste Erwägung, die einem Befragten in den Sinn kommt, denAusschlag für die Richtung seines opinion reports gibt (Zaller 1992, 191).Abbildung 3: Das Receive-Accept-Sample Modell der Meinungsbildung nachJohn Zaller (mit zwei unabhängigen Informationsquellen)Informations-Pool(Considerations)InformationsquelleMassenkommunikationInformationsquelleInterpersonalkommunikationRECEIVEACCEPTSAMPLEMeinungs-Äusserung:Stimm- bzw. Wahlverhalten,Stellungnahme usw.Prädisposition Filter 1 InvolvierungFilter 2 |
lerdings von individuellen Merkmalen und der Situation, in der sie ak-tualisiert und ausgewertet werden müssen, abhängig.Ebenso wichtig wie das Prozessmodell selbst ist darüber hinaus derBegriff der Meinung, den diese Überlegungen nahe legen. Eine Meinungist demnach eine Konstruktion des Augenblicks, die sich gleichwohl aufnicht-zufällige Voraussetzungen zurückführen lässt: Menschen habennicht einfach eine Meinung von einer Sache, sondern sie besitzen das Po-tenzial zur Konstruktion eines Spektrums an Meinungen (Zaller 1992,38). Die Meinungsäusserung folgt keinem kohärenten Einstellungskom-plex, sondern ist das Ergebnis eines zwar nicht zufälligen, aber eben auchkeineswegs stabilen und beliebig replizierbaren Prozesses. Gegenüberden meisten öffentlichen Angelegenheiten vertritt gerade die Masse derpolitisch weniger involvierten Bürger keine langfristig fixierten, rationalabgewogenen Einstellungen, die wiederholt abrufbar wären und jeweilszu identischen oder doch richtungspolitisch konsistenten Meinungsäus-serungen führen müssten. Im Gegenteil: Die Mehrheit der Menschenverfügt hinsichtlich der meisten politischen Themen (nicht hinsichtlichaller!) lediglich über einen mehr oder weniger grossen Pool von Beweg-gründen oder Erwägungen, die in sich aber selten widerspruchsfrei undkonsistent sein werden, sondern vielmehr unverbunden, nicht aufeinan-der abgestimmt, häufig miteinander inkompatibel sind und in wechseln-der Zusammensetzung im Gedächtnisspeicher schlummern. Unter die-sen Bedingungen hängt die Meinungsbildung in einer konkreten Ent-scheidungssituation vor allem davon ab, welche Beweggründe momen-tan aktiviert werden können und in welche Richtung sie – per saldo –weisen.Meinungswandel kann auf der Basis dieses Modells zweierlei be-deuten. Einerseits kann sich das Mischungsverhältnis akzeptierter Pro-und Contra-Erwägungen im Gedächtnisspeicher eines Bürgers verän-dern (Zaller / Feldman 1992, 610). Dafür werden an erster Stelle grund -legende Veränderungen in der politischen Ausrichtung massgeblichergesellschaftlicher Informationsströme verantwortlich sein, etwa einegrundlegende Tendenzwende in der Darstellung und öffentlichen Kom-mentierung bestimmter Ereignisse. Nur die kleine Gruppe der beson-ders widerstandfähigen politischen Aktivbürger wird dem geballten Me-dientenor trotz intensiver Zuwendung politisch standhalten können,wenn die eigenen Vorüberzeugungen und Werte den öffentlich verbrei-teten Botschaften entgegen stehen. Die Masse der politisch weniger In-56Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und Demokratie |
volvierten wird mehr und mehr Erwägungen und Beweggründe aus deröffentlichen Kommunikation beziehen, sei es versehentlich (also prädis-positional inkonsistent) oder in Einklang mit bestehenden Voreinstel-lungen, sodass sukzessive ein deutliches Übergewicht einer Richtungsich einstellt und die Wahrscheinlichkeit der Antworttendenz in dieseRichtung verschiebt. Eine zweite Variante besteht darin, dass zwar dierichtungspolitische Mischung der verfügbaren themenbezogenen Erwä-gungen im Grunde stabil bleibt, die tatsächliche Verfügbarkeit aberdeutlich in Richtung spezifischer Erwägungen ausschlägt. Das kann, da-rauf wurde schon hingewiesen, etwas mit dem kürzlich erfolgten Emp-fang oder «Gebrauch» von Beweggründen zu tun haben, die dann («topof the head») in der neuerlichen Entscheidungssituation näher liegen alsandere (vgl. Kahneman u. a. 1982). Das mag aber auch mit bestimmtenAuffälligkeiten von Kommunikationsbotschaften zusammenhängen, diefür die Erarbeitung von Beweggründen herangezogen werden. SolcheFormen von Hervorhebung (salience) können in der besonders bemer-kenswerten Art und Weise der Kontextualisierung bestehen, in derenFolge entsprechende Erwägungen vorübergehend präsenter sind als an-dere, aber auch in Form der Intensivierung bestimmter Botschaften inFolge spezifischer Ereignisse. Solche Effekte werden in der Kommuni-kationswissenschaft als Wirkungen des Framing und Priming diskutiert(vgl. Matthes 2007). Bei Zaller firmieren sie als Form des gleichsam «un-echten» Meinungswandels, als mood change (Zaller 1992, 119), der imGrunde nichts anderes ist als eine erhöhte Antwortwahrscheinlichkeitim Sinne spezifischer, eben zum gegebenen Zeitpunkt besonders salien-ter Erwägungen. Das heisst, mood change beruht, bezogen auf das RAS-Modell, in einer schlichten Variation des Sampling-Prozesses, währendechter Meinungswandel von Effekten der Rezeption und Akzeptanz ab-hängt.In diesem Sinne konzipiert Zaller (1992, 122) die Wahrschein -lichkeit des Meinungswechsels als Produkt der Wahrscheinlichkeit, eine persuasive Kommunikationsbotschaft zu erhalten und der Wahrschein-lichkeit, diese als relevanten Erwägungsgrund zu akzeptieren. Annah-megemäss steigt aber die Intensität der Rezeption von Kommuni -kationsbotschaften mit dem Grad der politischen Involvierung. Die Resistenz gegenüber persuasiven Botschaften steigt ebenfalls mit der politischen Involvierung, oder umgekehrt, die Wahrscheinlichkeit derAkzeptanz sinkt. Daraus konstruiert Zaller den folgenden Fall, der rech-57Kommunikationstheoretische Grund lagen |
nerisch nachweist, dass – gegeben die beiden erstgenannten Annahmen –in der Gruppe der mittelstark politisch Involvierten die Wahrscheinlich-keit, dass Veränderungen der politischen Kommunikationsströme einenMeinungswandel bewirken können, am höchsten ist.Zusammenfassend kann man sagen, die wichtigsten Innovationenin Zallers Forschung zur Meinungsbildung (und politischem Verhalten)bestehen darin, dass er– die Heterogenität der Voraussetzungen in einer meinungsbilden-den Bevölkerung wirklich ernst nimmt, anstatt eine Gesamtbevöl-kerung mit einem einheitlichen Modell zu untersuchen. Er legtdamit die Annahme nahe, dass die Mechanismen politischer Mei-nungsbildung bei unterschiedlichen Menschen unterschiedlich wirken. Das klingt banal, ist aber in der Praxis der politischen Mei-nungs- und Verhaltensforschung, wo üblicherweise alle Menschenmit dem gleichen Setting unabhängiger Variablen untersucht wer-den, alles andere als eine Selbstverständlichkeit.– die Vorstellung konsistenter und kohärenter Einstellungskomplexeaufgibt und damit die Annahme, jeder Mensch verfüge über eine«wirkliche» Meinung zur Sache, die folglich bei ähnlicher Aus-gangslage stets zu ähnlichem Verhalten führen wird. Er legt damitein Modell nicht zufälliger Unregelmässigkeit nahe, in welchem deraktuell verfügbare Bestand relevanter und verfügbarer Beweggrün-de, die untereinander nicht unbedingt widerspruchsfrei, homogenund hochintegriert sein müssen, zur entscheidenden Determinanteeiner episodischen Meinungsäusserung wird.Die neuere Entwicklung der Schweizer Abstimmungsforschung ist vondem Bemühen gekennzeichnet, den Einfluss der öffentlichen Debatte58Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und DemokratieTabelle 2: Wahrscheinlichkeit des Meinungswechsels als Reaktion auf eine hypothetische KommunikationsbotschaftPolitische Involvierungniedrig mittel hochProb (Rezeption) .10 .50 .90Prob (Akzeptanz / Rezeption) .90 .50 .10Prob (Wechsel = Rez x Akz) .09 .25 .09Quelle: Zaller 1992, 123. |
auf die individuelle Meinungsbildung mit Hilfe der Konzepte und Axio-me Zallers zu entschlüsseln. Damit hat sich insbesondere HanspeterKriesi (1999, 2005) befasst. Kriesi (1999, 207) nennt drei Faktoren bezie-hungsweise Variablenbündel, die für den Meinungsbildungsprozess be-stimmend sind: die öffentliche Kommunikation, die man nach Intensitätder Themenbehandlung und nach dem Grad der Polarisierung der Mei-nungen klassifizieren kann, individuelle Eigenschaften der Stimmbürger,vorab politische Kompetenz und politische Prädispositionen, undschliesslich – in Erweiterung des RAS-Modells – charakteristischeMerkmale der zu entscheidenden Sachfrage, vor allem ihr Bekanntheits-grad, ihre Komplexität und ihr Zwangscharakter. Die genannten The-meneigenschaften haben annahmegemäss sowohl Auswirkungen aufVerlauf und Inhalt der öffentliche Debatte, weil etwa die Auseinander-setzung um Sachfragen mit hohem Zwangscharakter eher zur Polarisie-rung der Meinungen tendiert, als auch auf die individuelle Meinungsbil-dung, weil etwa die Vertrautheit mit einem Streitthema und die Zwang-haftigkeit der Massnahme(n), die mit einer Vorlage verbunden sind, dieStabilität der Meinungen befördert und Meinungswandel unwahrschein-lich macht. Konkret wird vermutet, dass, wenn es um vertraute Proble-me geht und / oder um solche Vorschläge, welche die Betroffenen zu einem bestimmten Verhalten nötigen (Geschwindigkeitsbegrenzung aufder Autobahn), die Gruppe derjenigen Stimmbürger, die von Beginn anfest entschlossen sind und die Meinung nicht mehr wechseln, vergleichs-weise gross ist (so auch Hill / Kriesi 2001, 398). In diesem Zusammen-hang schlägt Kriesi (1999, 214–215) vor, das Konzept der Prädispositio-nen über die von Zaller gemeinten internalisierten Einstellungen undWerte hinaus um externalisierte Prädispositionen zu erweitern, etwa ra-tionale Kosten-Nutzen-Überlegungen, die sich aus der realen Lebensla-ge oder Handlungssituation des Individuums ergeben.19 Gegenüberkomplexen und alltagsfernen Sachfragen verhalten sich viele Bürger un-entschlossen oder schwankend, in dem Sinne, dass sie sowohl Argumen-te für als auch wider eine bestimmte Position internalisiert haben. Hier59Kommunikationstheoretische Grund lagen19 Ein Beispiel: Wenn es etwa um Fahrverbote für private Kraftfahrzeuge bei erhöhterSchadstoffkonzentration in der Luft geht, dann ist die Meinung eines Bürgers nichtnur durch seine grundsätzlichen Einstellungen zum Umweltschutz prädisponiert,sondern auch durch die schlichte Frage, ob er selbst Autofahrer ist oder nicht. |
können also öffentliche Informations- und Kommunikationsanstren-gungen vergleichsweise viel erreichen. Von ambivalenten Stimmbürgernzu unterscheiden ist jene Gruppe der «Unsicheren», die über gar keinesachspezifischen Erwägungsgründe für einen zu treffenden Entscheidverfügen und vermutlich dazu neigen, der perzipierten Mehrheitsmei-nung zu folgen.Die empirische Basis dieser breit angelegten Untersuchung bildeteine Panel-Befragung von 1000 Schweizer Stimmbürgern, die zwischenDezember 1993 und Oktober 1995 viermal zu sechs verschiedenenMass nahmen gegen Luftverschmutzung und Verkehrsbelastung befragtwurden. Zwischengeschaltet waren Phasen der intensivierten Informa -tion durch natürliche Ereignisse oder experimentelle Simulation (vgl.auch Bütschi 1993).Als Ergebnis der statischen, zeitpunktbezogenen Analyse am Be-ginn des Meinungsbildungsprozesses konnte festgestellt werden, dassdie Meinungen der Bürger– am besten durch die internalisierten politischen Prädispositionenerklärt werden können,– entgegen der Annahme kaum durch «externe Prädispositionen»bestimmt sind,– die Schweizer Besonderheit der Differenz von Sprachregionen (einIndikator für kulturelle Prädispositionen) widerspiegeln,– im Falle von Zwangsmassnahmen durch die unabhängigen Varia-blen generell besser erklärt werden können als in den übrigen Fällen,– sich im Verlauf der Debatte als resistent gegen Meinungswandel er-weisen, wenn sie in konsistenten politischen Vorstellungssystemenverankert sind.Die dynamische Analyse der Entwicklung individueller Meinungen überden gesamten Untersuchungszeitraum erbrachte darüber hinaus eineFülle weiterer Erkenntnisse, von denen hier nur die für unsere Zweckewichtigsten Resultate wiedergegeben werden können. Zunächst liesssich feststellen, dass die Neigung zum Meinungswechsel stark aus -geprägt ist. Je nach Sachfrage änderte zwischen einem Viertel und derHälfte aller Befragten seine Meinung mindestens einmal. Dabei spieltedie Intensität der jeweiligen Informationsflüsse offenbar eine wesent -liche Rolle. Je intensiver die Kommunikation, desto nachhaltiger die60Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und Demokratie |
Wirkung: Schwache aber messbare Effekte der laufenden Pressebericht-erstattung, stärkere Effekte durch die angeleitete Information eines«Entscheidungsfragebogens» und starke Wirkungen in Folge einer in-tensiven öffentlichen Abstimmungskampagne.Die Charakteristik der Sachfrage beeinflusst die Meinungsbildungin der erwarteten Weise: komplexe, wenig bekannte Sachfragen und sol-che mit geringem Zwangscharakter verzeichnen stärkere Neigung zumMeinungswandel, lassen folglich mehr Spielraum für Einflüsse von In-formation und Kommunikation. In Fällen mit hohem Zwangscharaktersind die Meinungen demgegenüber in hohem Masse durch Kosten-Nut-zen-Überlegungen im Kontext «externer» Prädispositionen fixiert. Informationsflüsse bewirken hier wenig. Das heisst generell: je grösserder Anteil ambivalenter und unsicherer Stimmbürger am Beginn einesMeinungsbildungsprozesses, desto grösser die Erfolgswahrscheinlich-keit von Informations- und Kommunikationsanstrengungen.Politische Kompetenz wirkt auch in der Schweiz in der von Zallervermuteten Weise als Filter gegen Informationen, die nicht mit den eige-nen politischen Voreinstellungen übereinstimmen. Anders als in denUSA sind aber in der Schweiz auch weniger kompetente Stimmbürgererstaunlich resistent, was auf eine vergleichsweise stärkere Prädisponie-rung politischer Sachfragen in der Schweizer Politik verweisen könnte(Kriesi 1999, 224). Darüber hinaus kann Kriesi allerdings eindrucksvollnachweisen, dass politische Kompetenz durchaus in der Lage ist, dieSchutzschildwirkung der individuellen Kosten-Nutzen-Überlegungen(externe Prädispositionen) zu aktivieren beziehungsweise zu deaktivie-ren. Tatsächlich neigen politisch wenig kompetente Stimmbürger deut-lich eher dazu, gegen ihre objektive Interessenlage zu stimmen (und sichselbst beispielsweise höhere Kosten aufzubürden oder ein Verbot zu ver-ordnen), einfach weil sie nicht in der Lage sind, die Botschaften der öffentlichen Kommunikation korrekt zu interpretieren und auf ihre je-weilige Lage zu beziehen. Sie stehen daher in der Gefahr, Informationenkritiklos aufzunehmen und in entscheidungsrelevante Erwägungen zutransformieren, die ihren eigentlichen Interessen zuwiderlaufen. Das giltbesonders im Falle stark einseitiger Informationsflüsse. «Dieses Ergeb-nis deutet darüber hinaus an, dass Informationsstrategien, welche dierealen Konsequenzen bestimmter Massnahmen für einzelne Bürgerin-nen und Bürger eher verdunkeln als erhellen (. . . ), in dem Masse erfolg-reich sein können, wie die Einzelnen nicht über die kontextuellen Infor-61Kommunikationstheoretische Grund lagen |
mationen verfügen, die es ihnen erlauben würden, den Zusammenhangzwischen der Information und ihrer eigenen Lage herzustellen» (Kriesi1999, 227).Dieses Argument verweist direkt auf die Bedeutung derjenigenAkteure, die den öffentlichen Kommunikationsprozess nach Inhalt undTiming beherrschen: Angehörige der politischen Eliten, die über ebensokostenträchtige wie raffinierte Mittel des Themen- und Ereignismanage-ments, des Issue-Framing und der Polit-PR verfügen. Angesichts der demonstrativ zur Schau gestellten Informationsüberlegenheit des pro-fessionellen Kommunikationsmanagements werden viele Bürger vonvornherein darauf verzichten, es dennoch besser wissen zu wollen, undkonzentrieren ihre Informationsbemühungen auf die Suche nach einfa-chen Signalen (information cues), die ihnen trotz unüberschaubarer Lageeine einigermassen unkomplizierte und vor allem unaufwändige Orien-tierung gestatten (vgl. Chaiken / Stangor 1987; Iyengar 1990; Sniderman u. a. 1991; Popkin 1991; Lupia 1994). Beide Komponenten, Eliten-Dominanz in der Prägung und Steuerung gesellschaftlicher Informa -tionsflüsse und die Anwendung rationaler Vereinfachungsstrategien imInformationsverhalten der Stimmbürger, bilden den Kern einer «realisti-schen» Theorie direktdemokratischer Entscheidungen, die HanspeterKriesi (2005) skizziert hat. Drei Strategien der Simplifizierung sind da-nach für den individuellen Meinungsbildungsprozess im Abstimmungs-fall von besonderer Bedeutung (Kriesi 2005, 138–140):– die Status Quo-Massregel, wonach der Stimmbürger im Falle derUnsicherheit über die Konsequenzen der Entscheidung dazu neigt,für die bestehenden Verhältnisse zu votieren (vgl. auch Brunetti1997; Bowler / Donovan 2000),– die Orientierung an der Parteiidentifikation, wonach die Stimm-bürger dazu tendieren, die Position der politischen Partei zu fol-gen, der sie sich affektiv verbunden fühlen (vgl. auch Jenssen / List-haug 2001),– der Vertrauensfaktor, wonach die Bürger den Vorschlägen der Re-gierung immer dann folgen werden, wenn sie ihr generalisiertesVertrauen entgegenbringen (vgl. auch Lupia / McCubbins 1998).Die Wirkungsweise der Parteiorientierung und der Vertrauensheuristiksollte dabei in hohem Masse mit der Kampagnenintensität interagieren,weil die entscheidenden elite cues, von denen die Wahrnehmungen der62Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und Demokratie |
Parteipositionen und Regierungsargumente wesentlich abhängen, erstdurch öffentliche Kommunikation gesellschaftsweit sichtbar werden(Zaller 1992; Bowler / Donovan 2000, 58–65). Kombiniert mit den Basis -axiomen des RAS-Modells führen diese Konzepte zu einer Vielzahl em-pirischer Hypothesen, die anhand von 148 eidgenössischen Urnengän-gen zwischen 1981 und 1999 getestet wurden. Erneut können hier nurdie wichtigsten Befunde referiert werden.Danach sinkt die unreflektierte Status Quo-Orientierung mit demAusmass individueller politischer Involvierung und sie steigt, wenn dieSachthemen als alltagsfern und fremd wahrgenommen werden. Da intensive öffentliche Kommunikation mobilisierend wirkt und die In-volvierung aller Bürger steigert, sinkt die Wahrscheinlichkeit einfacherStatus Quo-Orientierung mit der Intensität der öffentlichen Kommuni-kation. Tatsächlich verschwinden die Differenzen zwischen stark undschwach Involvierten in den Fällen intensiver öffentlicher Kommunika-tion, der einzige direkte Effekt von Öffentlichkeit, den die Analysenachweisen kann. Die Wirkung der Parteiidentifikation hängt unter an-derem vom Grad der politischen Involvierung und der Polarisierung deröffentlichen Debatte ab. Bei wenig polarisierter öffentlicher Kommuni-kation mit hohem Konsens der Meinungen zeigt sich kein spezieller Par-teieneffekt. Die Neigung, im Einklang mit der favorisierten Partei zustimmen, steigt vielmehr mit dem Grad der Involvierung. Im Falle desElitendissens ist ein genereller Identifizierer-Effekt zu erwarten, undzwar unabhängig vom themenspezifischen Wissensstand. Allerdingswird die Polarisierung der Meinungen bei den politisch stark Involvier-ten besonders deutlich ausfallen, denn stärkere Involvierung erhöht dieWahrscheinlichkeit, dass der betreffende Bürger die Position der favo -risierten Partei erkennen und mit den eigenen Prädispositionen ver-knüpfen kann. Hohes Vertrauen in die Regierung bewirkt unter allenUmständen eine starke Unterstützung der Regierungsposition. Der Ver-trauensfaktor gewinnt immer dann an Bedeutung, wenn die Abstim-mungsmaterien komplex und alltagsfern sind und die Wissensbasis desStimmbürgers bei weitem überfordern. Ein Vertrauensdefizit der Regie-rung kann zudem die Status Quo-Orientierung abschwächen, weil dasMisstrauen sich gerade gegen die bestehenden Verhältnisse richtet. Alledrei Shortcut-Strategien erweisen sich insoweit als durchaus erklärungs-kräftig für die Meinungsbildung bei eidgenössischen Volksabstimmun-gen. Dabei ist der generalisierte Effekt öffentlicher Kommunikationsin-63Kommunikationstheoretische Grund lagen |
tensität allerdings weniger stark ausgeprägt als erwartet, während sichinsbesondere die politischen Rahmenbedingungen (Formierung politi-scher Koalitionen) als entscheidende Randbedingung der Simplifizie-rungsstrategien erweisen. Die Bedeutung der öffentlichen Kommunika-tion für Meinungsbildung und Stimmverhalten wird auch in KriesisAnalysen zur systematischen Informationsverarbeitung (Kriesi 2005,175–197) deutlich. Sachargumente spielen insbesondere dann eine gros-se Rolle, wenn die Bürger mit einer Entscheidungsthematik vertraut sindund über ein Mindestmass an Vorwissen verfügen. Das ist naturgemässbei politisch kompetenteren Bürgern eher der Fall als bei schwach Inte-ressierten. Allerdings kann eine lang anhaltende und intensiv geführteKampagne durchaus das Interesse an und den Informationsstand überdie Abstimmungsmaterie erhöhen. In solchen Situationen stimmt dieMehrheit der Bürger tatsächlich auf Basis von Argumenten ab, nicht aufder Grundlage von Heuristiken, sind sie also in der Lage, sich von Par-teiloyalität und Vertrauen zu lösen.Zusammenfassend sind für die hier verhandelte Problematik fünfPunkte festzuhalten: (1) Ein auf individuelle Eigenschaften des Stimm-bürgers und gesellschaftliche Informations- und Kommunikationsflüsseabstellender Forschungsansatz kristallisiert sich als fruchtbares Stan-dard-Erklärungsmodell für die abstimmungsbezogene Meinungsbildungheraus. (2) Die empirische Evidenz, die in diesem Rahmen für differen-tielle, aber gleichwohl namhafte Einflüsse öffentlicher Kommunikationauf die abstimmungsbezogene Meinungsbildung beigebracht werdenkann, ist überzeugend. Das gilt sowohl für medienvermittelte Kommu-nikation wie auch für teilmedialisierte Kampagnenkommunikation, dievornehmlich am Beispiel von Zeitungsinseraten untersucht wird. Die dabei verwendeten Indikatoren fokussieren in der Regel auf Angabenzur Zuwendung und Nutzung von unterschiedlichen Informationsquel-len, nicht aber auf tatsächliche Kommunikationsinhalte. (3) Was dieseInhalte angeht, so zeigen viele Studien, dass neben den eigentlichen Meinungsbotschaften und Sachinformationen, die von der Medienöf-fentlichkeit gelieferten elite cues von grosser Bedeutung für die Mei-nungsbildung gering involvierter Stimmbürger sind. Deren Informa -tionsbedarf reduziert sich auf die Frage: «Who is behind it?» Der Botschafter wird zur Botschaft. (4) Die Verknüpfung von umfragege-stützter Stimmbürgerforschung und inhaltsanalytischer Untersuchungmedienvermittelter Abstimmungskommunikation ist bisher praktisch64Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und Demokratie |
nicht geleistet worden. Das gilt über die Schweiz hinaus auch für die in-ternationale Forschungslandschaft (vgl. Jenkins / Mendelsohn 2001, 211;Joslyn / Haider-Markel 2000). Das Gleiche gilt für die Analyse der Wir-kung nicht medialisierter personaler Kommunikation. (5) Daneben wirdauf die Bedeutung spezieller Themeneigenschaften für den Meinungsbil-dungsprozess verwiesen. Die in der Schweizer Abstimmungsforschungschon früh vertretene These, wonach gerade bei alltagsfernen Abstim-mungsvorlagen, über die in der Stimmbürgerschaft wenig vorgefassteUrteile existieren, die öffentlichen Diskurse der politischen Eliten prä-genden Einfluss gewinnen können, wird von amerikanischen Studienbreit gestützt (Lupia 1994; Bowler / Donovan 2000; Lupia / McCubbins1998; Joslyn / Haider-Markel 2000). Die Annahme, dass spezifische The-meneigenschaften absichtsvoll kommunikativ erzeugt werden können,ist dabei bisher kaum systematisch in die Überlegungen einbezogenworden.65Kommunikationstheoretische Grund lagen |
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3 Politisch-institutionelle und sozio-kulturellesozio-kulturelle Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation im Fürstentum LiechtensteinÖffentlichkeit wird in der traditionellen Theorie als eine auf den Na -tionalstaat bezogene Kategorie behandelt (Habermas 2001). Erst injüngster Zeit wird intensiv über die Bedingungen der Möglichkeit trans-nationaler Öffentlichkeit (Langenbucher / Latzer 2006) oder gar vonWeltöffentlichkeit nachgedacht (Stichweh 2002). Im hier untersuchten Fall ist es demgegenüber vertretbar, wennnicht geboten, die öffentliche Kommunikation im Kontext der spezifischliechtensteinischen Bedingungen zu untersuchen. Die Verfassungs -abstimmung von 2003 sowie die vorausgegangene Auseinandersetzunghaben zwar eine ungewöhnlich breite, internationale Medienresonanzgefunden. Gleichwohl war der Grossteil der medialen Begleitung despolitischen Prozesses auf Liechtenstein beschränkt. Die Darstellung desKonfliktes in ausländischen Medien war zudem auf besonders markanteund plakative Aspekte der Auseinandersetzung fokussiert. Die Wirkungder ausländischen Medien ist also annahmegemäss begrenzt, weil sie nurselten und selektiv über den Verfassungskonflikt in Liechtenstein be-richteten. Dabei erzielen im Printbereich nur wenige, am ehesten nochschweizerische Tageszeitungen, eine relevante Reichweite in Liechten-stein. Aber auch die Reichweite des Tages-Anzeigers und der NeuenZürcher Zeitung liegen unter 20 Prozent (Marxer 2004, 187). Das aus-ländische Fernsehen berichtet noch weniger über Liechtenstein, wobeidie inhaltliche Darstellung im Vergleich zu den Printmedien noch weiterverkürzt und die Darstellungsform noch stärker personalisiert ist. Einmassgeblicher Einfluss der ausländischen Medien auf die öffentlicheKommunikation und die Meinungsbildung war daher nicht zu erwarten.Damit reduziert sich der relevante Kommunikationsraum weitge-hend auf das Gebiet Liechtensteins. Die öffentliche Kommunikationspielt sich vor dem Hintergrund des spezifischen politischen Systemsund des Mediensystems Liechtensteins ab. Die Randbedingungen der67 |
öffentlichen Kommunikation sind daher die Kleinräumigkeit generell,die Komponenten des politischen Systems sowie – da es sich beim Ana-lysebeispiel um eine Volksabstimmung handelt – die direktdemokrati-schen Institutionen Liechtensteins. Diese drei Rahmenbedingungenwerden in den folgenden Abschnitten charakterisiert.3.1 Kleinräumigkeit LiechtensteinsDas Fürstentum Liechtenstein ist mit seinen rund 35 000 Einwohnernund 160 Quadratkilometern sowohl flächenmässig wie auch bemessenan der Zahl der Einwohner ein Kleinststaat.20 Die Definition von Klein-staat und Kleinststaat – es werden auch die Bezeichnungen Mikrostaat,Ministaat, Zwergstaat (very small countries) verwendet – ist nicht ein-heitlich. Bei der Bevölkerungsgrösse werden je nach Autor Maximal-grössen von einer oder von fünf Millionen Einwohnern festgelegt(Waschkuhn 1994; Kocher 2002; Gantner / Eibl 1999, 23). Neben derFläche und der Bevölkerungsgrösse können noch weitere Kriterien derKleinststaatlichkeit herangezogen werden, so etwa die Regierungsform,Wohlstand und Wachstum, Kultur-, Rechts- und Justizsystem (Abt /Deutsch 1993, nach Gantner / Eibl 1999, 23), die interne Machtteilung,das Aussenverhältnis sowie die Sicherheit und Ressourcensituation (Riklin 1993, nach Gantner / Eibl 1999, 23), der geografische Kontext,einschliesslich des Entwicklungsstandes und des nachbarschaftlichenKontextes hinsichtlich der Sprache, Kultur, ethnischen Gesichtspunktenund der Art der nachbarschaftlichen Koexistenz (Gantner / Eibl 1999,23), die Höhe des Nationaleinkommens oder Kombinationen verschie-dener Indikatoren (Kocher 2002, 25–28).Gantner und Eibl erachten die Quantifizierung kleinstaatlicherKriterien als nicht sinnvoll. Was ein Kleinstaat ist, ist ihrer Meinung nachrelativ. Verschiedene Kriterien spielen dabei eine Rolle: «Zusammenfas-send ist die Befindlichkeit im Kleinstaat eine Funktion von Bevölke-rungszahl, Fläche, Entwicklungsstand, ökonomischem und politischemAussenverhältnis, geographischen Gesichtspunkten, ethnischen und68Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation in Liechtenstein20 Zu den Kriterien eines Kleiststaates vgl. Kocher 2002, 16 ff., 186. |
kulturellen Umständen sowie des politischen System, um die wichtigs-ten zu nennen.» (Gantner / Eibl 1999, 23) Dabei ist zu berücksich tigen,dass in internationaler Auffassung auch Länder wie etwa die Schweizoder Österreich als Kleinstaaten bezeichnet werden.Vor dem Hintergrund dieser Kriterien und der verschiedenenGrössenkategorien von Staaten kann Liechtenstein nicht nur als Klein-staat, sondern als Kleinststaat angesprochen werden, da es sich um einensouveränen Staat handelt, welcher von der Bevölkerungsgrösse und derFläche zweifellos dem Erscheinungsbild von Kleinststaaten entspricht.21Die meisten anderen der neben Fläche und Bevölkerungszahl erwähntenKriterien werden von Liechtenstein ebenfalls erfüllt. Eine Einschrän-kung betrifft allenfalls das Kriterium des Wohlstandes und des Wachs-tums, wobei aber auch diesbezüglich aufgrund der geringen Bevölke-rungszahl und des im internationalen Vergleich kleinen Bruttonational-einkommens sicherlich von einem Ministaat gesprochen werden muss.Worin liegen nun die Charakteristiken des Kleinststaates Liechten-stein, insbesondere mit zu erwartendem Einfluss auf die öffentlicheKommunikation? Zunächst muss Liechtenstein als ressourcenschwacherStaat angesehen werden. Weder sprudelnde Ölquellen noch andere Bo-denschätze oder natürliche Ressourcen sichern das wirtschaftliche Über-leben. Günstig wirken sich allenfalls eine relativ zentrale geografischeLage in Europa, eine liberale Gesetzgebung, die wirtschaftliche Koope-ration mit der Schweiz (Zollvertrag) und Europa (Abkommen über denEuropäischen Wirtschaftsraum), das relativ hohe Ausbildungsniveau,günstige Rahmenbedingungen durch einen ausgebauten Finanzdienst-leistungssektor, die gezielte wirtschaftliche Nischenpolitik – insbeson-dere im Banken- und Treuhandbereich – sowie die Kosteneinsparung inder staatlichen Aufgabenerfüllung durch vielschichtige Kooperationenmit angrenzenden oder befreundeten Staaten, Kantonen und Bundeslän-dern aus (Gantner / Eibl 1999; Kocher 2002; Merki 2007).Die Auslagerung von staatlichen Leistungen gab 1920 noch denAusschlag dafür, dass der Völkerbund Liechtenstein nicht als eigenstän-69Kleinräumigkeit21 In einer aus dem Jahr 1997 stammenden Liste der bevölkerungsmässig kleinstenStaaten rangierte Liechtenstein an sechster Stelle hinter Vatikanstadt, Tuvalu,Nauru, Palau und San Marino. Auch flächenmässig lag Liechtenstein an sechsterStelle hinter Vatikanstadt, Monaco, Nauru, Tuvalu und San Marino. Nach Kocher2002, 19, 22. |
digen Staat anerkennen wollte. Heute, ein knappes Jahrhundert später,steht die Souveränität Liechtensteins nicht mehr in Frage. Meilensteinein der Anerkennung der Staatlichkeit Liechtensteins waren der Beitrittzum Europarat 1978 und zur Uno im Jahr 1990.Die Verletzlichkeit und Aussenabhängigkeit fördert nach Neidhartdie innere Integration und verleiht den Symbolen der kulturellen undpolitischen Selbständigkeit im Kleinstaat besondere Bedeutung.22 Imvorliegenden Fall Liechtensteins führt dies zu einem hohen Stellenwertder Souveränitätssicherung in der Aussen- und Wirtschaftspolitik. DieMonarchie und das Fürstenhaus sind dabei zweifellos ein herausragen-der Alleinstellungsfaktor im internationalen Konzert, mit hohem Image-und Identifikationswert, was auch aus verschiedenen Umfragen über dieWahrnehmung Liechtensteins im Ausland hervorgeht (Institut für De-moskopie Allensbach 1977, 1999). Allerdings hat Liechtenstein die kriti-sche Grösse für einen potenten internationalen Akteur bei weitem nichterreicht, sodass die Aussenpolitik auch von Pragmatismus und Anleh-nung an andere Staaten geprägt ist. In der Eigenwahrnehmung hat dieverstärkte internationale Anbindung der letzten Jahrzehnte, kombiniertmit starker Zuwanderung und zunehmender kognitiver und geografi-scher Mobilität der Bevölkerung, zu einer relativen Weltoffenheit ge-führt.23Trotz vielfältiger Kooperationen mit anderen Staaten und Glied-staaten sowie Mitgliedschaften in internationalen Organisationen undder Mitwirkung in zahlreichen Abkommen bleiben, wie in grösserenStaaten, wesentliche Regelungsbereiche dem Nationalstaat vorbehalten.Darin unterscheidet sich Liechtenstein nicht von anderen Staaten, wel-che notabene ebenfalls Kompetenzen an ausserstaatliche oder suprana-tionale Gremien delegieren, wie das Beispiel der Europäischen Zentral-bank oder die Regelungskompetenzen der EU-Kommission in Brüsselzeigen.Ein wesentlicher Unterschied zeigt sich allerdings darin, dass sichdie nationale öffentliche Debatte in Liechtenstein in einem weit engeren70Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation in Liechtenstein22 Vgl. Neidhart 1982b, 452, der aus der Angst des Kleinstaates (Schweiz) vor Ab -hängigkeit und Verlust der Freiheit den grossen Anteil der Auslandberichterstat-tung schweizerischer Medien, insbesondere mit Fokus auf krisenhafte Ereignisse,erklärt.23 Vgl. Umfrage über nationale Identität Liechtensteins bei Marxer 2006b. |
politischen, kulturellen und sozialen Rahmen abspielt. Dieser ist nichtnur geprägt von einer generellen quantitativen Ressourcenschwäche, dieauch qualitative Einbussen nach sich ziehen kann. Kleinheit bedeutetauch stärkere Verletzbarkeit, stärkere soziale Kontrolle, stärkere Verant-wortlichkeit des Individuums für die Gesellschaft, bezogen auf die öf-fentliche Kommunikation möglicherweise auch eine unterentwickelteDiskussions- und Streitkultur. In seinem Resümee zum politischen Sys-tem Liechtensteins kommt Waschkuhn zum Schluss: «Der Klein(st)staatLiechtenstein (. . . ) ist charakterisiert durch Konkordanz oder Ko-Op-position, Konfliktvermeidung, Kompromissfähigkeit und Kooptation,aber ebenso durch Kontrollverdünnung und Nicht-Entscheidungen.Liechtensteins Orientierungsnormen sind allgemein: Mitte – Mischung –Mässigung.» (Waschkuhn 1994, 391)Vor diesem Hintergrund erscheinen die von Neidhart bereits 1982hervorgehobenen Besonderheiten der politischen Kommunikation imKleinstaat – bei ihm bezogen auf den Fall Schweiz – auch für Liechten-stein ebenso und nach wie vor plausibel (Neidhart 1982b). Die geringeGrösse der Schweiz ist für Neidhart eine elementare Bestandesbedin-gung für das politische Kommunikationssystem: «Tatsächlich bestimmtdieses Merkmal der Kleinheit fast alles, was mit dem Phänomen der öf-fentlichen Meinung zu tun hat und dies sogar in ganz erheblicher Weise.Sie bestimmt die Prozesse der Beschaffung, der Übertragung, der Mani-pulation und der Kontrolle von Informationen. Sie hat einen Einfluss aufdie Struktur und die Autonomie der Kommunikationsmedien, und siebestimmt schliesslich auch die politischen Aufmerksamkeitsregeln sowiedie Themen- und Bewusstseinsstrukturen und mit alldem eben die öf-fentliche Meinungsbildung.» (Neidhart 1982b, 452)Wenn man Ereignisse als Ausgangspunkt von Kommunikations-prozessen ansehen will, könnte zunächst vermutet werden, dass die Er-eignisvielfalt in kleinen Gebilden geringer ist als in grösseren. Wasch-kuhn hat für den Fall Liechtenstein den Begriff der «strukturellen Ereignislosigkeit» geprägt, bezogen insbesondere auf die relative Wir-kungslosigkeit von Wahlen im direktdemokratischen, konkordanten po-litischen System (Waschkuhn 1994, 391; 1990, 39 f.). Dem kann aller-dings entgegen gehalten werden, dass sich Ereignisse auf lokaler, regio-naler, nationaler oder internationaler Ebene zwar in vielerlei Hinsichtunterscheiden, aber generell auf allen Ebenen eine Ereignisvielfalt mög-lich ist. Neidhart (1982b, 455) sprich hierbei von «Massstabsverände-71Kleinräumigkeit |
rung» und räumt ein, dass in kleinen Gebietskörperschaften mitunter dieEreignisvielfalt grösser sein kann, da die Überschaubarkeit eine direkteEinsehbarkeit und Beurteilungsmöglichkeit der Verhältnisse erlaube.«Die Kleinheit der Verhältnisse», so Neidhart (456), «bestimmt also so-wohl den Umfang des Ereignisfeldes als auch die Aufmerksamkeits- undThemenstruktur der Politik.»Bezüglich der Übertragung von Informationen im Kommunika -tionsprozess spielt die extramediale, direkte Kommunikation im Klein-staat zweifellos eine grössere Rolle. Das betrifft vorab die interpersonaleKommunikation, aber auch Versammlungsöffentlichkeiten. In kleinenVerhältnissen verläuft die Kommunikation teils sichtbarer und öffent -licher, teils direkt und kurzgeschlossen, also nichtöffentlich und nichtüber Medien vermittelt. Damit verstärkt sich möglicherweise auch dieWirkung des Gerüchts, des Halbwissens und der Irrationalität. Ande-rerseits sind nach Neidhart (457) die direkten Kommunikationsprozesse«unmittelbar an die bestehenden Realitäten, Bewusstseinsstrukturenund Gefühlslagen zurückgebunden», wodurch die Politik pragmatischerwerden sollte und «die kommunikative Abbildung der gesellschaftlichenWirklichkeit weniger beschönigend, weniger idealisierend und ideologi-sierend und alles in allem weniger unwahr erfolgen kann.»Neben der Art der Kommunikation unterscheidet sich in Klein-staaten auch die Medienlandschaft von derjenigen in Mittel- und Gross-staaten. Medien sind dort in der Regel kleiner, und – nach Einschätzungvon Neidhart (457) – sinkt der Grad der inneren Pluralität der Medienmit ihrer Grösse. Medienabhängigkeit nimmt zu, ebenso die Tendenzzum Medienmonopol. Dieser pluralismusbegrenzenden Wirkung derKnappheit in kleinen Verhältnissen stehe aber die hohe Verfügbarkeitausländischer Medien und deren Nutzung gegenüber sowie eine denKleinstaat auszeichnende liberale Kommunikationskultur. Auf die Me-diensituation in Liechtenstein wird weiter unten näher eingegangen.Ein weiteres Merkmal der öffentlichen Kommunikation in kleinenVerhältnissen ist deren Abhängigkeit von personellen Verflechtungenund Ausprägungen eines Milizsystems. Wenn Neidhart (445, 455) demKleinstaat Schweiz dieses Attribut verleiht – stark nebenamtliche Aus-richtung von Aufgaben aufgrund von Ressourcenknappheit, starke Ver-flechtung von Privatem und Öffentlichem –, dann trifft dies umso mehrauf Liechtenstein zu. In dieser Konstellation vermutet Neidhart eine hö-here Intensität und Konflikthaftigkeit der politischen Meinungsbildung,72Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation in Liechtenstein |
basierend auf grösserer Knappheit, schärferem Kampf um Zielprioritä-ten, grösserer Involviertheit, stärkerer persönlicher Verletzlichkeit, wel-ches zu unerwünschter sozialer Kontrolle führen kann, was wiederumals Gegenreaktion zum Schutz der Privatheit, Liberalismus und Antieta-tismus führe (455).Das enge persönliche Beziehungsgeflecht im Kleinstaat, in welchem vieles überschaubar und potentiell öffentlich ist, fördert eineübertriebene Hochhaltung von Vertraulichkeitsmaximen (456). Selektiveund zurückhaltende öffentliche Kommunikation von Regierungs- undAmtsstellen passt ebenso in dieses Muster wie die Diskretionen des Finanzplatzes, insbesondere das Bankgeheimnis. In dieses Beziehungs-netz sind jedoch vielfach auch die Medien einbezogen, welche sich insymbiotischem Verhältnis zur Politik bewegen – in der Begrifflichkeitvon Alemanns ein «Biotop»24 –, wobei nicht immer klar ist, ob sie mehrden Logiken des Mediensystems oder des politischen Systems gehor-chen.25So erscheint am Ende der Widerspruch, dass die Kleinheit theore-tisch einerseits als ideale Ausgangslage für praktizierte direkte Demo-kratie angesehen werden kann. Da die Abhängigkeit der Informations-vermittlung und öffentlichen Debatte von Medien, Medienbeherrschern,Machtträgern und Finanzgrössen im Kleinstaat geringer erscheint als ingrossen politischen Einheiten, kann ein fairerer Meinungsbildungspro-zess erwartet werden. Andererseits muss aber persönliche Beeinflussungund Manipulation gerade dort vermutet werden, wo interpersonaleKommunikation, normative Erwartungshaltungen und sozialer Druckeine grössere Rolle spielen, also in kleinen Verhältnissen. Dies bewognach Mutz (2001) bereits die Autoren der Federalist Papers in der Grün-dungszeit der amerikanischen Demokratie dazu, die politische Mei-nungsbildung auf der Basis unpersönlicher, anonymer, sekundärer In-formation der Meinungsbildung auf der Basis von Face-to-Face-Knowledge vorzuziehen.73Kleinräumigkeit24 v. Alemann 1997, 494. Damit grenzt er das Verhältnis von Politik und Medien gegendie Vorstellung einer Dominanz des politischen Systems («top down»), der Domi-nanz des Publikums («bottom up») und der Dominanz des Mediensystems («Me-diokratie») ab.25 Vgl. Marcinkowski / Marxer 2006 und weitere Beiträge in Blum u. a. (Hrsg.) 2006. |
3.2 Mediensystem, Politik und GesellschaftMediensystemDie öffentliche Kommunikation spielt sich in Liechtenstein auf der Ba-sis der beschriebenen Kleinräumigkeit und Ressourcenschwäche ab,welche auf der Seite der Medienlandschaft von geringer Medienvielfaltgekennzeichnet ist. Dies betrifft sowohl quantitative wie auch qualitativeAspekte. Die geringe Einwohnerzahl in Liechtenstein stellt für Medieneine grosse Hürde dar, da der Markt entsprechend klein ist. Es hat daherauch bis ins Jahr 1863 gedauert, ehe überhaupt die erste Zeitung inLiechtenstein erschienen ist. Die wöchentlich erscheinende Liechtenstei-ner Landeszeitung musste nach fünf Jahren ihr Erscheinen einstellen.Erst 1878 wurde eine langfristig erfolgreiche Zeitung, das Liechten -steiner Volksblatt, lanciert. Das Blatt erscheint bis heute unter diesemNamen.1914 erhielt das Volksblatt Konkurrenz von den OberrheinischenNachrichten, einer Zeitung, welche als Sprachrohr der damals im Land-tag unter der Leitung des Abgeordneten Wilhelm Beck entstehendenOpposition diente. Aus den Oberrheinischen Nachrichten wurden 1924die Liechtensteiner Nachrichten und 1936 das Liechtensteiner Vaterland,welches wie das Volksblatt bis in die Gegenwart existiert. Diese beidenZeitungen werden heute als Tageszeitung herausgegeben. Seit dem Be-ginn der Zeitungen hat der Umfang pro Ausgabe von vier Seiten aufrund 30 Seiten zugenommen, der Erscheinungsrhythmus ist von einerAusgabe pro Woche auf sechs Ausgaben gestiegen. Die beglaubigtenAuflagenzahlen bewegen sich bei rund 10 000 Exemplaren pro Normal-ausgabe.26 Die Auflagenzahl entspricht etwa derjenigen von ländlichenLokalzeitungen in der Schweiz – also beispielsweise dem Willisauer Bo-ten, der Jungfrau Zeitung, der Engadiner Post, dem Entlebucher Anzei-ger oder dem Werdenberg & Obertoggenburger.Trotz dieser bescheidenen Zahlen zeichnet sich Liechtensteindurch ein ausgesprochen eifriges Lesepublikum aus. Wegen der gleich-74Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation in Liechtenstein26 Im Jahr 2005 betrug die Auflagenzahl 10 076 (Vaterland) bzw. 9001 (Volksblatt inkl.Online-Abonnemente). 1975 hatte das Volksblatt mit 6100 Exemplaren noch deut-lich vor dem Vaterland mit 4700 gelegen. Marxer 2004, 175. Liechtensteiner Vater-land, 3. Oktober 2006. |
zeitigen Existenz von zwei Tageszeitungen erreicht die Auflagenhöhepro 1000 Einwohner etwa diejenige der Spitzenreiter Japan und Norwe-gen, noch deutlich vor der Schweiz, Deutschland und Österreich. In dertäglichen Reichweite nimmt Liechtenstein sogar die Spitzenposition ein,ebenso wie in der Zahl von Zeitungstiteln, gemessen an der Einwohner-zahl.27 Wichtige Ursachen dieser hohen Zahlen sind das parallele Er-scheinen von zwei Zeitungen, wobei viele Leser sowohl das Vaterlandwie auch das Volksblatt abonniert haben und lesen,28 sowie das Fehleneines inländischen Fernsehens, welches als kontinuierliches Informa -tionsmedium dient. Im Unterschied zu den Lokalzeitungen in grösserenStaaten müssen die liechtensteinischen Tageszeitungen sowohl lokalewie auch nationale Funktionen erfüllen, obwohl deren Ressourcenaus-stattung nicht wesentlich besser ist. Während also in der Schweiz die na-tionale Politik von ressourcenstarken überregionalen Tageszeitungenwie beispielsweise dem Tages-Anzeiger oder der Neuen Zürcher Zeitungbeobachtet und kommentiert wird, kommt diese Aufgabe im nationalenKontext Liechtensteins Printmedien im Lokalzeitungsformat zu.Das Ressourcenproblem ist jedoch nicht das einzige Problem.Hinzu kommt die Tatsache, dass es sich bei den beiden erwähnten Ta-geszeitungen um Parteizeitungen handelt, sodass die Watchdog-Funk-tion gegenüber dem politischen System erheblich eingeschränkt ist, aus-serdem dominierten diese Printmedien die mediale öffentliche Kommu-nikation in Liechtenstein komplett, da es keinen liechtensteinischenFernsehsender gibt und das Radio kaum geeignet ist, wesentliche Kon-trollfunktionen gegenüber dem politischen System wahrzunehmen. Dieswird nachdrücklich auch durch die Zukunftsbarometer-Umfrage vomHerbst 2007 bestätigt, wonach das Institutionenvertrauen in RadioLiechtenstein äusserst gering ist (GfS Bern 2007). Das System der Par-teizeitungen hat sich bereits seit der Gründung der ersten Parteien imJahr 1918 entwickelt. Die Oberrheinischen Nachrichten waren das75Mediensystem, Politik und Gesellschaft27 Vergleich der Zahlen aus dem Internationalen Handbuch Medien 2002 / 2003, nachMarxer 2004, 181. Die Auflage betrug im Beobachtungszeitraum 674 Exemplare pro1000 Einwohner, die Reichweite 91 Prozent, die Zahl der Titel 77 pro 1 Million Ein-wohner.28 Marxer 2004, 182. Von 800 befragten Stimmberechtigten gaben in der Nachwahl-umfrage 2001 12,1 Prozent an, keine Zeitung abonniert zu haben, 29,0 Prozent nurdas Vaterland, 18,5 Prozent nur das Volksblatt, 40,4 Prozent sowohl Vaterland wieauch Volksblatt. |
Sprachrohr der ersten Partei in Liechtenstein, der Christlich-sozialenVolkspartei, welche wie die Zeitung unter der Führung von WilhelmBeck stand. Die im gleichen Jahr gegründete Fortschrittliche Bürgerpar-tei (FBP) fand Unterstützung beim Liechtensteiner Volksblatt. Die Alli-anz zwischen Parteien und Zeitungen hat bis zum heutigen Tag Bestand.In einer Fusion zwischen der Volkspartei und dem Liechtensteiner Hei-matdienst, einer ständestaatlichen Bewegung in den 1930er Jahren, ent-stand 1936 die Vaterländische Union (VU), deren Zeitung das Liechten-steiner Vaterland war und ist. Die FBP und die VU dominieren im übri-gen die Parteienlandschaft Liechtensteins. Sie waren bis 1993 die einzi-gen Parteien im Landtag und von 1938 bis 1997 zudem in einer gemein-samen Regierungskoalition. Nach zwei Mandatsperioden mit einer Al-leinregierung der VU (1997–2001) beziehungsweise der FBP (2001–2005) wird seit 2005 wieder in einer grossen Koalition regiert. Die FreieListe (FL), eine grün-alternative Partei, hat als bisher einzige weiterePartei seit 1993 Einsitz im Landtag.Unabhängige Zeitungen hatten immer einen schweren Stand. Dabeiist zu erwähnen, dass publizistische Motive bei der Lancierung von Zei-tungen oder anderen Printmedien selten eine Rolle spielten. Die meistenbisherigen Zeitungsversuche waren politisch motiviert. Die enge Verbin-dung zwischen Medien und Politik betrifft also nicht nur die beiden tra-ditionellen grossen Volksparteien, sondern auch andere politische Bewe-gungen, welche meist ein eigenes Sprachrohr schufen. Das galt für dieFreiwirtschaftsbewegung Anfang der 1930er Jahre ebenso wie für die na-tionalsozialistische Bewegung Anfang der 1940er Jahre, die Christlich-soziale Partei in den 1960er Jahren und die FL seit den 1980er Jahren. ImUmfang und Erscheinungsrhythmus konnten aber keine anderen Print-medien an die beiden liechtensteinischen Landeszeitungen heranreichen.Ein liechtensteinisches Fernsehen gab es erst während einer kurzenZeit zwischen 1998 und 2003, als der Privatsender XML im Kabelnetzempfangbar war.29 Anfänglich mit grossen Erwartungen gestartet,76Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation in Liechtenstein29 Erst nach der Verfassungsabstimmung sind weitere elektronische Medien in Liech-tenstein mit potentiellen Beiträgen zur politischen Kommunikation entstanden, soinsbesondere das Web-TV des Liechtensteiner Volksblattes (seit 2003), welches viaInternet kurze Videoclips zu aktuellen Themen aus Politik, Wirtschaft, Sport, Kul-tur u. a. anbietet, sowie der private Fernsehsehnder 1FL TV, welcher seit 2009 einbescheidenes Programmangebot im liechtensteinischen Kabelnetz unterhält. |
Subsets and Splits